Bezirk Reutte

„35 Stunden sind bei uns Ruhezeit“

Bezirksbauernbundobmann Richard Wörle kann der Arbeit als Landwirt viel Positives abgewinnen. Durchhalten sei die Devise.
© Mittermayr

Der Bezirk Reutte zählt 700 Bauern. Die Zahl wird indirekt über Förderansuchen festgestellt. Vor zwei Jahrzehnten arbeiteten noch 1000 im Außerfern.

Von Helmut Mittermayr

Reutte –Wenn es lange regnet, hört man manchmal die humorige Wendung „Es hat aufgehört nachzulassen“. Richard Wörle formuliert es bei der Frage nach der Zahl der (verbliebenen) Bauernbetriebe im Bezirk Reutte ähnlich. „Die Zahlen sind weiter rückläufig. Aber weniger als erwartet.“ Der Bezirksbauernbundobmann nennt einen aktuellen Stand von 700. Und meint damit jene Betriebe, die einen Antrag auf Förderung für die neue Periode bis 2020 gestellt haben. Diese Zahl ging gegenüber der letzten Förderperiode „um fünf Prozent zurück. Eine gute Entwicklung, hatten wir doch mit bis zu zehn Prozent gerechnet.“ Wörle spricht hier von den offiziellen Landwirten. Natürlich gebe es welche, die etwa „nur ein Ross daheim stehen haben und in der Statistik nicht vorkommen“. Im Jahr 1995 habe es 1000 Bauern im Außerfern gegeben. In gut 20 Jahren hätten also ein Drittel aufgehört.

Rund 200 Bauern im Bezirk sind Milchlieferanten mit einer durchschnittlichen Leistung von 37.000 kg/Jahr.

Aus Bauernsicht sei die hohe Industrialisierung des Außerferns „Fluch und Segen“ zugleich. Nicht umsonst würde die Zahl der großen Betriebe mit dem Abstand zum Reuttener Talkessel zunehmen. „Wer tut sich das noch an, wenn er ungelernt beim Schichten fast 2000 Euro verdient? Ums gleiche Geld müsste er 20 Kühe halten.“ Wörle muss immer lachen, wenn die Gewerkschaft die 35-Stunden-Diskussion aufwärmt – „das ist bei uns die Ruhezeit“. Der Bauer müsse immer da sein, 365 Tage im Jahr; sei zwar Unternehmer, aber „brutal marktabhängig“. Über den Daumen gerechnet bleibe den heimischen Landwirten am Ende jedes Monats nur die Förderung übrig, ohne wäre es sofort aus. Da es täglich „alles“ im Geschäft gebe, sei der Versorgungs- und Sicherheitsaspekt für den Konsumenten nicht mehr ersichtlich. Das könne sich aber über Nacht ändern, warnt er und plädiert für eine Aufrechterhaltung der Zuschüsse – und damit der alpinen Landwirtschaft überhaupt.

Der Pinswanger will sich nicht in die Phalanx der Jammerer einreihen. Der Beruf mache ganz sicher auch Spaß, gebe eine große innere Zufriedenheit. „Bei uns kennt man jede Kuh noch beim Namen. Wir haben eine eigene Glocke für jede. Alle haben eine Geschichte. Im Endeffekt sind wir alles Idealisten“, sagt Wörle. Er empfiehlt Kollegen, noch stärker in Nischenprodukte zu gehen, sich über Wertschöpfungsketten Gedanken zu machen und vor allem durchzuhalten: „Unsere Zeit kommt noch.“

Bezirksbauer Wörle bezeichnet sich als kritisch, aber nicht populistisch. Worte wie Milchsee und Fleischberg will er nicht hören: „So lange Leute auf dieser Welt verhungern, gibt es nicht genug Nahrungsmittel. Und so lange so viel davon auf dem Müll landet, sind Lebensmittel zu billig.“ Er rät Konsumenten, Zahlen zu hinterfragen. Da werde etwa von einem 500-Millionen-Soforthilfepaket der EU für Landwirte berichtet. „Und d’Leit denka glei, dia Huratsbaura steckt mas wieder eini.“ Runtergebrochen auf den Einzelnen mache das aber eine Einmalzahlung von 150 Euro aus. Das sollte man über das umstrittene Soforthilfepaket auch wissen, sagt er.

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