20 Jahre Bauernkiste: Stille Post unter dem Sakko
Medizinertochter Therese Fiegl ist mit dem Zustelldienst „Bauernkiste“ vor fast 20 Jahren in Tirols Agrarszene aufgetaucht. Die 51-jährige Innsbruckerin im Porträt.
Von Markus Schramek
Innsbruck –Ein österreichischer Ex-Bundeskanzler soll Menschen mit Visionen den Gang zum Arzt empfohlen haben. Therese Fiegl wählte aber einen anderen Weg: Sie setzte ihre Vision in die Tat um. 1997 stellte sie mit Jungbäuerin und Studienkollegin Regina Norz im Raum Innsbruck ein neuartiges Vertriebssystem für Agrarprodukte auf die Beine: Die „Bauernkiste“, bestückt mit Erzeugnissen aus heimischer Produktion, wird seither den Kunden direkt vor die Haustür geliefert.
„Gestartet sind wir mit 77 Bestellungen und neun bäuerlichen Lieferanten“, erzählt Fiegl der TT. Und heute, fast 20 Jahre später? „Wir liefern inzwischen pro Woche rund 800 Bauernkisten mit Produkten von 55 Anbietern aus, und zwar überall in Tirol mit Ausnahme des Unterlands.“ Hier spießt es sich noch.
Obst, Gemüse, Milchprodukte, Fleisch, Wurst, Fisch bis hin zu Wein, Nudeln, Schokolade und Seife – das Angebot der Bauernkiste ist stetig gewachsen. Geliefert wird, was saisonal in Tirol verfügbar ist. „Das Geld geht vom Kunden direkt an die Bauern bzw. an die Hersteller; ich erhalte eine Provision für das Bereitstellen einer Plattform für den Direktvertrieb“, schildert Fiegl ihr Geschäftsmodell. Zuletzt wurden im Jahr Waren im Wert von 1,5 Mio. Euro umgesetzt.
Dabei haftete Jung-Therese keinerlei Stallgeruch an, als die Innsbruckerin in den 80er-Jahren Agrarökonomie an der Universität für Bodenkultur (Boku) in Wien zu studieren begann. „Ich stamme aus einer Ärztefamilie. Ich wollte einfach etwas ganz anderes machen“, sagt die heute 51-Jährige retrospektiv.
Mit dem Studium entwickelte sich das Gespür für die heimische Landwirtschaft – genauer gesagt für deren Hauptproblem: einen vertretbaren Ertrag für die Produkte zu erwirtschaften. „Qualität darf ihren Preis haben“, lautet Fiegls Maxime, die sie gleich noch einmal unterstreicht: „Die Qualität der Produkte aus unseren kleinen Betrieben schlägt jene aus landwirtschaftlicher Massenproduktion um Längen.“
Über den Preisverfall im Milchsektor kann die promovierte Diplomingenieurin nur den Kopf schütteln. „In Tirol werden pro Jahr mehr als 40 Millionen Nächtigungen von Touristen verzeichnet. Würde jedes Hotel seinen Gästen Tiroler Milch anbieten, könnten die Bauern gut leben.“
Dieses Miteinander ist es, das Fiegl in ihrer Heimat mitunter vermisst. „Eine intakte Kulturlandschaft muss dem Tourismus und natürlich auch uns allen, die wir hier leben, etwas wert sein; schließlich sind wir auch stolz auf unser Land und profitieren von dessen Schönheit.“
Die Alternative dazu mag sich Fiegl gar nicht ausmalen. „Zahlt es sich für die Bauern nicht mehr aus, landwirtschaftliche Flächen zu bewirtschaften, dann wachsen sie rasch zu. Das würde dem touristischen Auftritt Tirols schaden, gerade jetzt, da die Alpen als Sehnsuchtsort gelten, an dem die Welt relativ heil geblieben ist.“
Jemand wie Fiegl, die sich, noch dazu als Frau, in der Tiroler Agrarszene etablieren konnte, ist natürlich auch für die Politik interessant. Doch da winkt sie ab: „Es gab einmal eine Anfrage des ÖVP-Bauernbunds, ob ich für den Landtag kandidieren will.“
Fiegl will sich aber politisch weder festlegen noch vereinnahmen lassen. „Natürlich haftet mir ein Öko-Image an, weil ich mich auch gegen den Transit engagiert habe“, sagt sie. Doch sie ist Mitglied bei keiner Partei und findet Papst Franziskus gleichermaßen gut wie den neuen SPÖ-Bundeskanzler Christian Kern.
Eine politische Botschaft wird von Fiegls Geschäft (mit ausgewählten Tiroler Produkten) in der Innsbruck Altstadt demnächst allerdings ausgehen. „Ich werde dort eine Woche vor der Präsidentenwahl ein Plakat Alexander Van der Bellens anbringen. Wie schon vor der letzten Stichwahl.“ Die Inhaberin sieht das als Statement gegen nationalistisches Denken und eine „Mir-sein-mir-Mentalität“.
Fiegl ist vierfache Mutter. Drei Kinder sind erwachsen und haben das elterliche Nest in Innsbruck schon verlassen. „Mein Mann, selbst Unternehmer, hat mich fachlich unterstützt, aber auch im Haushalt und mit den Kindern, sonst wäre mein berufliches Engagement nicht möglich gewesen“, ist sie überzeugt.
Besagten Gespons, Martin mit Namen, hat Therese übrigens nicht auf der Boku kennen gelernt. „Obwohl dort kein Mangel an Männern herrschte“, wie sie lachend anmerkt. Männer überdies, die wohlbestallt auf Brautschau gingen. „Beim Boku-Ball gab es Studenten, die unter dem Revers ihrer Sakkos Aufkleber angebracht hatten, auf denen die Hektargröße ihrer Landwirtschaften stand“, erinnert sie sich.
Jetzt aber ist es an der Zeit, sich dem Tagesgeschäft zu widmen. Und da gibt es im Hause Fiegl einen Fixpunkt: „Bei uns wird um 14 Uhr zu Mittag gegessen, ich koche jeden Tag selbst.“ Die Zutaten für die Speisen sind klarerweise vorgegeben: Produkte aus der Bauernkiste. Deren Chefin ist Qualitätstesterin in eigener Sache.