Literatur

Tote Trash-Stars und Morde im Müll

© Júlia Moraes

In ihrem schonungslosen Krimi „Trügerisches Licht“ zeichnet Patrícia Melo ein wenig schmeichelhaftes Bild der Polizeiarbeit in São Paulo.

Von Joachim Leitner

Innsbruck –Anfang dieses Jahres konnte der Gouverneur der brasilianischen Megacity São Paulo Erfreuliches verkünden: Die Mordrate in der größten Stadt Lateinamerikas sei auf einen beinahe historischen Tiefpunkt gesunken. Lediglich 3757 Menschen wurden 2015 Opfer eines Tötungsdeliktes. Immerhin: gut dreizehn Prozent weniger als im Jahr davor.

Keine Erwähnung in der offiziellen Verlautbarung fand, dass die Aufklärungsquote der Polizei weiterhin im unteren einstelligen Bereich liegt. Woraus man schließen könnte, dass São Paulo kein wirklich geeigneter Schauplatz für einen roman policier ist: zu viele Morde, zu wenige Lösungen. Patrícia Melo beweist das Gegenteil. Ihr neuester Roman „Trügerisches Licht“ ist ein Polizei-Roman. Aber einer, der sich keine Illusionen macht. „São Paulo ist Gaza“, sagt Leiter der zentralen Mordkommission und bereitet die Kriminaltechnikerin Azucena Gobbi auf den Kriegszustand vor. Und weil dieser Krieg kaum zu gewinnen ist, rücken Nebenkriegsschauplätze ins Zentrum der Polizeiarbeit: Ein Schauspieler, Fábbio Cássio, der als Darsteller in der schmalzigen Telenovela „Eisen und Feuer“ von Millionen angehimmelt wurde, ist tot. Er soll sich beim einigermaßen gescheiterten Versuch, auch am Theater zu reüssieren, erschossen haben. Wahrscheinlicher aber scheint es, dass jemand nachgeholfen hat. Eventuell sogar das Reality-TV-Sternchen Cayanne? Für Gobbi heißt es also, im seichten Showbiz-Tümpel nach möglichen Mördern zu stochern, schließlich gibt es am Fall Cássio ein öffentliches, sprich mediales Interesse. Im Gegensatz zur brutalen Mordserie an hochrangigen Militärs, deren Lösung wohl tief im Korruptionssumpf versteckt ist. Die Toten in den Favelas gehen sowieso unter im allgemeinen Chaos des brasilianischen Alltags.

„Trügerisches Licht“ mag als Krimi angepriesen werden – im Kern handelt es sich dabei aber um ein tadellos gearbeitetes Stück Gesellschaftskritik: Trash im TV, Morde im Müll und zwischen Recht und Gerechtigkeit klafft eine blutende Wunde.

Nach dem – trügerischen – olympischen Oberflächenglanz dieses Sommers kommt Melos ungeschönte Aussichtslosigkeit gerade recht.

Krimi Patrícia Melo: Trügerisches Licht. Aus dem brasilianischen Portugiesischen von Barbara Mesquita. Tropen, 320 Seiten, 19,50 Euro.