Film und TV

Die Gesichter des Wahnsinns

© Constantin

Derek Cianfrance treibt in seiner fulminanten Bestseller-Verfilmung „The Light Between Oceans“ seine Stars zu Höchstleistungen und die Symbole auf die Spitze.

Von Peter Angerer

Innsbruck –Als Kriegsheld muss sich Tom Sherbourne (Michael Fassbender) 1918 beim Bewerbungsgespräch um den Posten des Leuchtturmwärters auf Janus-Rock in Westaustralien keine Sorgen machen. Dafür schildert der Commonwealth-Beamte die Gefahren auf dieser von jeder Zivilisation weit entfernten Felsenklippe. Toms Vorgänger etwa hatte seine Frau angezeigt, weil sie feindlichen Schiffen Signale gesendet hatte. Das ist schlimm, doch der Wärter war schon seit Jahren Witwer. Damit kann Tom umgehen, denn was sind schon Einsamkeit und die Gefahren des Wahnsinns gegen Jahre im Schützengraben? Vor seiner Überfahrt lernt Tom noch die Familie Graysmark kennen. Die Graysmarks haben dem König ihre beiden Söhne geopfert, weshalb sie mit besonderer Zärtlichkeit auf ihre Tochter Isabel (Alicia Vikander) achten. Der Leuchtturm auf der Janus-Insel soll für eine optimistische Zukunft stehen, wenn das von Tom beaufsichtigte Licht die Handelsschiffe zu den Häfen lenkt. Dazu passt auch der (fiktive) Name der Insel, der nach der antiken Gottheit Anfang und Ende bezeichnet.

In einer romantischen Vision ihrer Zukunft sieht sich Isabel als Frau des Leuchtturmwärters, zwischen Federvieh und Ziegen werden fünf fröhliche Kinder spielen. Nur der Kinderwunsch wird der Träumerin auf tragische Weise verweigert. Während eines Sturms verliert Isabel im April 1921 ihr erstes Kind, zwei Jahre später erleidet sie ihre zweite Totgeburt. Doch die magische Anziehungskraft der Insel bringt das Glück. Tom und Isabel finden in einem angespülten Boot einen toten Mann und ein schreiendes Baby. Dieser Vorfall würde einen Eintrag im Logbuch verlangen, dagegen spricht das Leuchten zwischen Wahnsinn und Sehnsucht in Isabels Augen. Das Janus-Symbol beginnt die Sherbournes zu erdrücken, am Ende stehen Anklagen wegen Mord und Kindesentführung.

Derek Cianfrance war bereits ein preisgekrönter Dokumentarfilmer, als er Anfang des Jahrtausends mit Michelle Williams und Ryan Gosling für seinen Film „Blue Valentine“ zu kämpfen begann, der 2010 alle Karrieren beflügelte. Die Tragikomödie über eine Patchwork-Familie, die der Wirklichkeit nicht gewachsen ist, könnte nicht weiter von M. L. Stedmans weltweitem Bestseller „The Light Between Oceans“ entfernt sein, aber was Cianfrance in seiner Kinoadap­tion aus dem Melodram und dem angebotenen Symbolvorrat macht, ist – auch wegen der Leistung der Schauspieler – schlicht überwältigend.

Alles hat mit allem zu tun. Die wesentlichen Ereignisse der Erzählung ereignen sich jeweils am oder um den 25. April. Das ist in Australien der Anzac Day, der seit 1916 an die Landung der australischen Truppen am 25. April 1915 auf Gallipoli erinnert. Über dieses Gemetzel in der Türkei, bei dem 26.000 aus­tralische Soldaten starben, hat Peter Weir 1981 den Film „Gallipoli“ gedreht. Bei Cianfrance versucht sich ein deutscher Einwanderer 1923 mit seinem Kind vor betrunkenen Patrioten in einem Boot zu retten, während seine Frau Hannah (Rachel Weisz) jahrelang den Verschollenen sucht.