Königreich Saudi-Arabien droht der Kollaps
Das strategische und politische Modell der Golfmonarchie hat ausgedient.
Von Floo Weißmann
Riad –Jahrzehntelang war Saudi-Arabien ein strategischer Partner des Westens, nicht zuletzt wegen seines Ölreichtums. Doch in den vergangenen Jahren ist die ultrakonservative Golfmonarchie in eine Krise gerutscht und selbst zum Problemfall geworden. „Das Königreich ist mit einer Reihe von internen und externen Herausforderungen konfrontiert, die das Land in den Kollaps stoßen können“, sagte die libanesisch-französische Politologin Jana Jabbour der TT.
Erstens tobt in Riad ein Machtkampf zwischen dem vergleichsweise gemäßigten Kronprinzen Mohammed ibn Naif (57), zugleich Premier und Innenminister, und dem Vizekronprinzen Mohammed ibn Salman, zugleich Vizepremier und Verteidigungsminister, der als Hardliner auftritt. Der erst 31-Jährige gilt als unberechenbar; er soll den Krieg im Jemen nicht zuletzt deshalb losgetreten haben, um seine Karriere zu befördern.
Dazu kommt, dass das saudische Wirtschafts- und Gesellschaftsmodell an sein Ende gekommen ist. Angesichts des niedrigen Ölpreises fehlen dem Königreich im Staatshaushalt 98 Mrd. Dollar. Während die saudische Führung das Volk bisher mit einer Gratisversorgung für alle ruhiggestellt hat, ist sie nun erstmals gezwungen, Steuern einzuheben. Jabbour: „Wenn man von seinen Bürgern Steuern einhebt, dann kann das dazu führen, dass sie politische Rechte einfordern.“
Zudem gärt es in den schiitisch dominierten Gebieten des Landes. Die diskriminierte Minderheit fordert mehr Rechte und einen größeren Anteil am Ölreichtum ihrer Region. Riad hat darauf bisher mit brutaler Repression reagiert. Im Vorjahr wurde ein prominenter schiitischer Geistlicher hingerichtet, was umgehend den Iran auf den Plan rief, der sich als Schutzmacht der Schiiten versteht.
Zu den internen Problemen kommen der teure Krieg im Jemen und die wachsende Rivalität mit dem Iran, der durch das Atomabkommen auf die Weltbühne zurückgekehrt ist. „Der Deal könnte die strategische Bedeutung Saudi-Arabiens in den Augen der USA verringern“, sagt Jabbour. Riad sucht jetzt nach einer neuen internationalen Rolle für sich selbst und schürt in der Zwischenzeit gezielt die konfessionellen Spannungen in der Region, „um die Debatte wegzubringen von dem, was innerhalb des Königreichs passiert“ (Jabbour).
Auch die terrorismusgeplagten Europäer gehen vorsichtig auf Distanz zu Riad. Laut Jabbour sind sich die Europäer immer mehr bewusst, dass die Jihadisten aus der wahhabitischen Ideologie stammen, die Saudi-Arabien intern vorschreibt und international fördert. „Das derzeitige Image als wahhabitischer, strenger, autoritärer Staat ist nicht länger zukunftsfähig.“
Die Expertin sieht deshalb jetzt den „Anfang vom Ende Saudi-Arabiens“, wie wir es kennen, gekommen. Sollte keine friedliche Transformation gelingen, etwa mithilfe der vielen in Europa und den USA ausgebildeten jungen Saudis, werde der Zusammenbruch der saudischen Monarchie zum Kollaps der gesamten Region führen. Die Folge wäre wohl ein Flächenbrand.