Regime kappt Versorgungsroute für Rebellen in Aleppo
Lebensmittel und Nachschub können nicht mehr ins Rebellenviertel geliefert werden. Das geplante Gespräch zwischen Kerry und Lawrow verzögert sich.
Aleppo – Die Rebellen in der nordsyrischen Stadt Aleppo geraten immer stärker unter Druck. Syriens Armee und ihre Verbündeten nahmen im Süden Aleppos komplett das Gebiet ein, durch das der letzte Versorgungskorridor der Regimegegner lief, wie die oppositionsnahe Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte am Donnerstag mitteilte. Auch das Regime und Rebellen berichteten vom Armeevormarsch.
Den Versorgungskorridor selbst hatten die Regimekräfte bereits am Wochenende abgeschnitten. Er war die letzte Route, über die Rebellen Lebensmittel und anderen Nachschub in die von ihnen gehaltenen Teile Aleppos bringen konnten. Dort leben noch bis zu 300.000 Menschen, die jetzt dauerhaft von der Außenwelt abgeschlossen werden könnten.
Der Vormarsch des Regime sei ein „schwerer Schlag“ für die Rebellen, sagte der Leiter der Menschenrechtsbeobachter, Rami Abdel Rahman. Es gebe große Sorgen um das Schicksal der Menschen im Osten Aleppos. Das Rebellengebiet war bereits im Juli einige Zeit von der Außenwelt abgeschnitten, was zu großen Problemen bei der Versorgung führte. Vor einem Monat eroberten islamistische Rebellenkämpfer das Viertel Ramussa und durchbrachen damit den Belagerungsring der Regierungstruppen.
Augenzeugenberichten zufolge waren schon am donnerstag alle Supermärkte in den östlichen Stadtteilen geschlossen, da ihre Regale leer waren. Straßenhändler boten nur noch lokal angebautes Gemüse an.
Die frühere Handelsmetropole Aleppo gehört zu den umkämpftesten Gebieten des mehr als fünfjährigen Bürgerkriegs. Die Stadt ist seit langem geteilt. Das Regime und seine Verbündeten kontrollieren den Westen Aleppos, Rebellen den Osten.
Anhänger der Regimegegner führten ihren erneuten Rückzug auf heftige russische Luftangriffe und den Einsatz ausländischer Kämpfer an der Seite der Armee zurück. Die irakische Schiiten-Miliz Nujaba hatte am Mittwoch erklärt, sie haben mehr als 1000 Kämpfer nach Aleppo entsandt. Unterstützt wird die Miliz vom ebenfalls schiitischen Iran, der neben Russland wichtigster Verbündeter des syrischen Regimes ist.
Ein für Donnerstag angekündigtes Gespräch der Außenminister Russlands und der USA zu Syrien verzögert sich unterdessen UNO-Kreisen zufolge. Es werde möglicherweise am Freitag stattfinden, hieß es. Eine Sprecherin des Außenministeriums in Moskau sagte, für das neue Gespräch zwischen Sergej Lawrow und John Kerry müssten noch Details geklärt werden. Bei dem Treffen der beiden Spitzendiplomaten soll es um eine Waffenruhe für Aleppo und andere Gebiete des Bürgerkriegslandes gehen.
An der Grenze zur Türkei wurden unterdessen nach Angaben der Beobachtungsstelle sechs Kämpfer der syrischen Kurdenmiliz YPG durch türkischen Artilleriebeschuss getötet. Die kurdischen Behörden in der Grenzregion Afrin bezeichneten den Angriff als Provokation, um „das Feuer des Kriegs zu entfachen“.
Die türkische Armee war im August rund 100 Kilometer östlich von Afrin in das syrische Grenzgebiet eingerückt und hat die Extremistenmiliz IS (Daesh) inzwischen von dort verdrängt. Sie will aber auch und das weitere Vorrücken der YPG verhindern, die sie als Ableger der verbotenen Kurdischen Arbeiterpartei PKK betrachtet. (APA/dpa/AFP/Reuters)