Stärker als Hiroshima-Bombe: Nordkorea führte Atomtest durch
Nordkorea hat erneut die Welt mit einem Atomtest vor den Kopf gestoßen. Eigenen Angaben zufolge ist man nun sogar in der Lage, Raketen mit Kernwaffen zu bestücken.
Pjöngjang/Seoul – Trotz eines internationalen Verbots hat Nordkorea allem Anschein nach zum fünften Mal eine Atombombe zu Testzwecken gezündet. Nach Angaben der südkoreanischen Regierung handelte es sich dabei um den bisher stärksten Atomwaffentest. Bei dem Test sei ein „neu entwickelter Atomsprengkopf“ zur Explosion gebracht worden, hieß es in dem Bericht des nordkoreanischen staatlichen Fernsehens.
Der Atomtest am Freitag hatte Experten zufolge eine größere Sprengkraft als die Atombombe, die die USA im Zweiten Weltkrieg auf Hiroshima abwarfen. Der zweite Atomtest Nordkoreas innerhalb weniger Monate löste weltweit Besorgnis aus und drückte die Fernost-Börsen.
Jeffrey Lewis vom Middlebury Institut Internationaler Studien in Kalifornien schätzte die Sprengkraft der Detonation auf 20 bis 30 Kilotonnen. Das wäre doppelt so viel wie die US-Bombe auf die japanische Stadt Hiroshima. Diese hatte 15 Kilotonnen. Südkoreas Militär ging der Nachrichtenagentur Yonhap zufolge vorerst von zehn Kilotonnen aus.
Obama kündigt „ernste Konsequenzen an
Südkoreas Präsidentin Park Geun-hye warf der Führung des Nordens am Freitag „manische Rücksichtslosigkeit“ vor, mit der sie „ihren Weg zur Selbstzerstörung“ beschleunigte. Die USA und Japan leiteten Untersuchungen ein, ob tatsächlich eine Atomexplosion stattfand.
US-Präsident Barack Obama kündigte „ernste Konsequenzen“ für jede Art von Provokation des abgeschotteten Landes an. Obama habe sich zudem erneut zum Schutz der US-Verbündeten in der Region bekannt, sagte sein Sprecher Josh Earnest am Freitag an Bord des Präsidenten-Flugzeugs Air Force One.
Nordkorea bestätigt erfolgreichen Test
Das nordkoreanische Staatsfernsehen sprach von einem „erfolgreichen“ Atomwaffentest. Der Test habe den Beweis erbracht, dass Nordkorea in der Lage sei, einen Atomsprengkopf auf eine Trägerrakete zu montieren, berichtete die Staatsagentur KCNA.
Am Freitagmorgen hatten internationale Erdbebenwarten Erdstöße der Stärke 5,3 im Bereich des nordkoreanischen Atomtestgeländes Pyunggye-Ri registriert, die nach Einschätzung südkoreanischer Experten von einer Bombenexplosion herrühren könnten. „Wir gehen von einem Nukleartest aus“, sagte ein Sprecher des südkoreanischen Verteidigungsministeriums.
Nordkorea will Raketen mit Kernwaffen bestücken können
Nordkorea kann nach seinem erneuten Atomtest eigenen Angaben zufolge Raketen mit Kernwaffen bestücken und über große Strecken hinweg einsetzen. Das Land habe unter Beweis gestellt, dass es ballistische Mittelstreckenraketen mit nuklearen Sprengköpfen versehen könne, erklärte die kommunistische Führung in Pjöngjang.
Die japanische Regierung kündigte die Entsendung von Spezialflugzeugen an, die Luftproben entnehmen und auf Radioaktivität prüfen sollten. „Ein nordkoreanischer Atomtest ist für Japan nicht hinnehmbar“, sagte Japans Ministerpräsident Shinzo Abe. „Wir müssen schärfsten Protest einlegen.“ Nordkoreas atomare Entwicklung „wird zu einer immer schwereren Bedrohung der Sicherheit Japans und untergräbt den Frieden und die Sicherheit in der Region“, sagte Abe.
Das Weiße Haus in Washington erklärte, ihm lägen Informationen über seismische Vorkommnisse in Nordkorea vor, die nun geprüft wurden. Die US-Erdbebenwarte USGS hatte zuvor erklärt, die gemessenen Erdstöße könnten von einer „möglichen Explosion“ herrühren. Südkoreanische Geologen sprachen von einem „künstlichen Erdbeben“, das „fast identische Merkmale mit den Erdstößen bei früheren Atomwaffentests in Nordkorea aufweise.
China ruft zur Zurückhaltung auf
China rief die Staatengemeinschaft zur Zurückhaltung auf. Niemand, auch nicht Nordkorea, könne ein Interesse an Chaos oder Krieg auf der koreanischen Halbinsel haben, hieß es in einem am Freitag veröffentlichten Kommentar der amtlichen Nachrichtenagentur Xinhua. Der Test sei zwar „nicht weise“, hieß es weiter. Allerdings habe Südkorea durch die Entscheidung zur Stationierung des US-Raketenabwehrsystems Thaad das strategische Gleichgewicht in der Region schwer beschädigt. Die Regierung in Peking ist der wichtigste Verbündete Nordkoreas.
Auf dem Gelände Pyunggye-Ri hatte Nordkorea zuletzt im Jänner eine Atombombe gezündet. In den folgenden Monaten setzte sich das Land immer wieder mit Raketentests über ein internationales Verbot hinweg. Der UN-Sicherheitsrat hatte wegen früherer Verstöße bereits harte Sanktionen gegen Nordkorea verhängt. Südkoreas Präsidentin Park forderte am Freitag „noch mehr Sanktionen und noch mehr Isolation“. Erstmals hatte Nordkorea 2006 eine Atombombe gezündet. (APA/AFP/Reuters)