„Hamlet“-Komponist Schreier: „Wir machen eine Familienaufstellung“

Wien (APA) - Am Mittwoch (14. September) startet das Theater an der Wien mit seinem Shakespeare-Schwerpunkt in die neue Saison. Für die Urau...

Wien (APA) - Am Mittwoch (14. September) startet das Theater an der Wien mit seinem Shakespeare-Schwerpunkt in die neue Saison. Für die Uraufführung zeichnet der 36-jährige deutsche Komponist Anno Schreier verantwortlich, der trotz seines Alters bereits sein siebentes Musiktheater-Werk vorlegt. Die APA sprach mit ihm im Vorfeld über Wagners Humorlosigkeit und darüber, wie man „Sein oder nicht Sein“ vertont.

APA: War Ihnen von Beginn Ihrer musikalischen Ausbildung her klar, dass Sie Komponist werden wollen?

Anno Schreier: Das hat sich erst mit der Zeit herausgestellt. Mich haben immer eher die Stücke als das Spielen der Stücke interessiert. Das war zwar relativ früh klar, aber ob man dann auch Komponist wird, ist ja noch eine andere Frage.

APA: Ihre Karriere in der Opernwelt ist dann aber ziemlich kometenhaft verlaufen...

Schreier: Dabei dachte ich am Beginn, dass Musiktheater nichts für mich ist. Ich war überzeugt, dass ich nicht für Gesang schreiben kann - und mittlerweile mache ich beinahe nur Stücke, in denen Gesang vorkommt. Aber mit der Karriere ist es immer so eine Sache. Ich bin froh, dass ich die Dinge, die ich umsetzen möchte, auch tatsächlich realisieren kann. Ich sehe das aus einem handwerklichen Aspekt, nicht aus dem Blickwinkel der Karriere um der Karriere willen.

APA: Sie hatten nie den Traum, an einem großen Haus zu reüssieren?

Schreier: So funktioniert das ja nicht. Das ergibt sich. Wenn man versucht, das zielgerichtet zu betreiben, kommt selten heraus, was man sich gewünscht hat.

APA: Haben Sie fürs Musiktheatralische explizite Vorbilder?

Schreier: Richard Strauss und Benjamin Britten sind große Vorbilder von mir. Richard Wagner hingegen überhaupt nicht. Je mehr Opern ich schreibe, umso weniger kann ich mit ihm etwas anfangen. Das ist mir alles zu humorlos. Humor ist in meinen Stücken sehr wichtig. Eine gewisse Distanzierung zu dem, was da auf der Bühne passiert, liegt mir sehr nahe. Bei Wagner wird man zugedröhnt, wie unter Drogen gesetzt, so dass man nicht mehr kritisch ist. Das finde ich ziemlich unsympathisch. Meine Musik ist emotional, aber es bleibt immer deutlich, dass es sich um ein Spiel handelt, bei dem wir zusehen.

APA: Hatten Sie beim aktuellen Projekt keine Angst, solch einen schweren Brocken wie einen „Hamlet“ anzugehen?

Schreier: Ja schon. Bei solch einem großen Stoff steht man natürlich ganz anders unter Erwartungshaltungen. Als ich das Libretto von Thomas Jonigk dann bekommen habe, war das für mich aber kein Thema mehr. Wir haben eine Version des „Hamlet“ geschaffen, die eine ganz neue Variante ist. Die Handlung ist letztlich ganz anders als bei Shakespeare. Wir erzählen eine Familiengeschichte - eine Familienaufstellung der Hamlet-Familie. Wenn wir einsteigen, sind alle so kompliziert miteinander verstrickt, dass sie nicht mehr normal miteinander umgehen können, sondern im emotionalen Extremzustand sind. Alle sind in das Unheil, das sich entfaltet, verwoben. Man muss sich einfach trauen, das zu machen - und mit der Erwartungshaltung spielen.

APA: Kommt der Satz „Sein oder nicht Sein“ bei Ihnen vor?

Schreier: Ich dachte eigentlich, der sei unvertonbar. Der wird so oft zitiert, dass es fast schon albern ist. Aber mit dem unvertonbarsten Satz der Geschichte kann man nur so umgehen, dass man ihn dann trotzdem vertont. Er wird nun vom Chor gesungen, der eine Kommentarfunktion wie im griechischen Theater hat.

APA: Ihr Stück wird nun von anderen Menschen auf die Bühne gebracht. Können Sie gut loslassen?

Schreier: Ich habe mit Christoph Loy im Vorfeld lange über das Stück gesprochen. Ich konnte es deshalb leicht aus der Hand geben, weil ich viel Vertrauen in ihn habe und er ein Regisseur ist, der das Stück erzählt und nicht meint, das muss auf dem Mond spielen. Ganz allgemein ist es natürlich aber nicht so einfach. Man muss sein Werk aber aus der Hand geben - man kann nicht immer alles kontrollieren. Dabei muss man als Komponist im Prozess erst einmal seine eigene Rolle finden. Wenn ich in einem Theater bin, bin ich immer irgendwie fremd, und man muss sich darauf einstellen, dass auf einmal so viele Leute um einen herum sind. Ich arbeite sonst ja alleine an einem Schreibtisch. Es ist aber auch eine schöne Abwechslung.

(S E R V I C E - „Hamlet“ von Anno Schreier und Thomas Jonigk im Theater an der Wien, Linke Wienzeile 6, 1060 Wien. Musikalische Leitung des RSO: Michael Boder, Regie: Christof Loy, Ausstattung: Johannes Leiacker, Licht: Reinhard Traub. Mit Andre Schuen - Hamlet (jung), Jochen Kowalski - Hamlet (senior), Marlis Petersen - Gertrud, Bo Skovhus - Claudius, Theresa Kronthaler - Ophelia, Kurt Streit - Pastor. Premiere am 14. September. Weitere Aufführungen am 16., 18., 21. und 23. September. http://go.apa.at/qTyXbuoD)