Erfolgsverwöhnter wandert am Grat
Seit zwei Jahrzehnten beglückt der Scénic als Kompaktvan Raum und Variabilität fordernde Familien, die vierte Generation gewinnt an Design-Pfiff, erhält Technik-Schliff und spielt mit dem SUV-Kniff.
Von Markus Höscheler
Bordeaux –Eindruck hinterlässt, was Renault innerhalb von 18 Monaten auf den Markt gebracht hat: Im Vorjahr rief das Label die Espace-Revolution aus, füllte endlich die Kompakt-SUV-Lücke mit dem ansehnlichen Kadjar auf und begann damit, den Laguna auszurangieren, indem der Talisman die Bühne für eine attraktive Mittelklasse-Limousine erhielt. Dieser folgten heuer die Grandtour-Variante sowie die beiden Mégane-Neulinge Fünftürer und Kombi. Zur Sommerpause stellte Renault den modifizierten Kleinwagen Clio vor, parallel dazu gab es Appetit anregende Ankündigungs-Häppchen à la Koleos-Nachfolger, Alaskan (Pick-up) und Alpine. Dieses Trio wird nächstes Jahr in den Handel gelangen. Bis dahin verdienen zwei andere Renault-Novizen Aufmerksamkeit: der Scénic der vierten Generation und der Grand Scénic der dritten Generation.
Die beiden Kompaktvan-Zwillinge unterscheiden sich hauptsächlich in der Größe und im Platzangebot, geringfügig im Motorenportfolio und im Marktstart, kaum in der Formensprache. Unstrittig ist aber, dass sich das Duo klar von den direkten Vorgängern distanziert. Das wäre zwar angesichts des Erfolgs der früheren Generationen nicht notwendig gewesen – insgesamt verkaufte Renault seit 1996 rund fünf Millionen Scénic-Einheiten; aber Chefdesigner Laurens van den Acker entschied, den Nachfolgern die aktuell dominierende Formensprache anzutrainieren.
Heraus kam das typische Antlitz mit breitem sowie schlanken Kühlergrill, beseelt vom mittig in Szene gesetzten Markenlogo. Harmonisch schließen die Frontscheinwerfer an den oberen Lufteinlass an, darüber darf sich eine mehrfach gefaltete Motorhaube präsentieren, die wiederum den Startpunkt gibt für eine sehr schräg stehende Windschutzscheibe. Die Dachlinie nimmt einen leichten Coupé-Schwung mit – der sich beim Grand Scénic mehr in die Länge zieht. Kräftig betonte, farblich abgesetzte Seitenschweller und eine höhere Bodenfreiheit deuten Sport-Utility-Vehicle-Optik an. Dazu tragen serienmäßig installierte 20-Zoll-Räder bei (Renault verspricht dank besonderer Spezifikation das Halten des Preisniveaus von 17-Zoll-Rädern beim Scénic-Vorgänger). Aber offiziell will Renault nichts von einem neuen SUV wissen, sondern spricht in aller Offenheit von einem Kompaktvan.
Als solcher muss er sich in zwei Revieren als kompetent erweisen: bei der Raumofferte und bei der Variabilität. Bei beiden Größen, das steht nach einer kurzen Erprobungszeit in Südwestfrankreich fest, kann der frische Franzose überzeugen: Das 4,406 Meter lange Modell bietet netto ein Ladevolumen von 506 Litern an – durch das Verschieben der beiden Rücksitzelemente (geteilt 1:2) können wir diesen Wert noch erhöhen. Bei umgelegten Fondsitzen schwillt das Ladeabteil auf 1448 Liter an – abhängig von der Ausstattung ist es sogar möglich, den Beifahrersitz zusammenzuklappen, um den Transport von 2,61 Meter langen Gegenständen zu ermöglichen. Mit einer Fülle von Ablagen im Personenraum ergänzt der Scénic seine Mitnahme-Talente, bis zu 63 Liter können transportiert werden – wobei die verschiebbare Mittelkonsole Easy-Life in den Blickpunkt rückt.
Der Grand Scénic hat dank seiner Konzeption noch etwas mehr Spielraum: Er kann als Fünf- oder als Siebensitzer ausgeführt werden, das Ladeabteil fasst zwischen 189 und 1901 Liter – seine Außenlänge beläuft sich auf 4,635 Meter.
Für das neue Scénic-Programm verwendet Renault insgesamt zwei Benzin- und vier Dieselmotoren, allesamt sind sie mit vier Zylindern und Turboladern bestückt. Das Leistungsspektrum reicht von 95 bis 160 PS (beim Grand Scénic von 110 bis 160 PS), am sparsamsten verhält sich der 110-PS-Turbodiesel mit 3,9 Litern Verbrauch (Grand Scénic: 4,0 l) je 100 Kilometer und einem CO2-Ausstoß von 100 (104) g/km. Abhängig von der Motorbauart und der Leistung ist das Getriebeangebot, das grundsätzlich Sechsgang-Handschalter und Doppelkupplungsgetriebe mit sechs und sieben Stufen umfasst.
Nahezu aus dem Vollen schöpft Renault beim Ausstattungsangebot, drei Niveaus geben die Richtung vor: Zen markiert den Einstieg mit manueller Klimaanlage, Tempomat, schwarzer Sitzpolsterung, Multifunktionslenkrad und Bluetooth-Radiosystem mit vier Lautsprechern. Für Intens sind bereits eine Zwei-Zonen-Klimaautomatik, eine Einparkhilfe hinten, eine sieben Zoll große Digital-Instrumententafel, eine Müdigkeitserkennung sowie Licht- und Regensensoren vorgesehen. Bose hebt sich vom Bisherigen mit Voll-LED-Scheinwerfern, Navigationssystem mit 8,7-Zoll-Touchscreen, MultiSense-Fahrdynamikprogramm, Spurhaltewarner, Zweifarblackierung und Bose-Surround-Soundsystem ab.
Gegen Aufpreis gibt es weitere sinnvolle Fahrerassistenzsysteme, auch ein praktisches Head-up-Display. Für den Basis-Scénic verlangt Renault 20.990 Euro, für den Grand Scénic wenigstens 22.190 Euro – jeweils in Kombination mit einem 115-PS-Benziner. Den 95-PS-Diesel gibt es ab 21.990 Euro (Scénic), den 110-PS-Diesel ab 23.990 Euro (Grand Scénic). Die mittlere Ausstattungsstufe Intens ist ab 23.190 Euro (Grand Scénic: 24.390 Euro) lieferbar.
Gestaffelt ist der Marktstart: Der Scénic vollzieht die Eröffnung Anfang Dezember, nach Jahreswechsel kommt die Langversion in die Gänge. Weiters geplant ist im nächsten Jahr eine Art Mildhybrid-Variante (Hybrid Assist), die mit einem 48-Volt-Netz und einem Riemenstarter-Generator bestückt ist, um Treibstoff zu sparen – in Kombination mit dem 110 PS starken 1,5-Liter-Turbodiesel.