Nachruf auf Hannes Arch: Für einen einzigen Augenblick
Pilot, Abenteurer, Grenzgänger: Hannes Arch (48) starb in der Nacht auf Freitag bei einem Hubschrauberabsturz. Nicht nur Tirols Motocross-Legende Heinz Kinigadner verlor „einen engen Freund“.
Von Daniel Suckert
Innsbruck – „Für mich ist das Schlimmste, die Normalität zu leben“, sagte Hannes Arch einmal. Er lebte die Intensität des Augenblicks. Im Flugzeug, am Berg, in den Wäldern. Ein kalkulierter Grenzgänger. „Ich kenne meine Grenzen, die werde ich nicht überschreiten. Ich wäge jedes Risiko sorgfältig ab.“ In der Nacht auf Freitag starb der Abenteurer auf dem Rückweg nach einem Transportflug mit seinem Hubschrauber im Großglocknergebiet in Kärnten. Der Helikopter zerschellte am Felsen, der mitfliegende Hüttenwirt überlebte. Arch konnte nur noch tot geborgen werden. Nach einem Routineflug, mit klarer Sicht und ohne Risiko. Er wurde 48 Jahre alt.
„Wir haben einen engen Freund verloren“, erklärte Tirols Motocross-Legende Heinz Kinigadner Freitagmittag konsterniert. „Einen besonnenen Menschen, der mit seiner Heimat verbunden war – den du alles fragen konntest, der sich für nichts zu schade war.“
So paradox es für einen Abenteurer, Basejumper oder Kunstflugpiloten auch klingen mag, Arch fiel nicht in die Kategorie „kopfloser Adrenalinjunkie“. Ganz im Gegenteil. „Im Flugzeug regiert bei mir die pure Vernunft“, wollte der Air-Race-Weltmeister des Jahres 2008 nichts von Grenzüberschreitung um jeden Preis wissen. Sein Credo („Respekt, Akzeptanz und stets mit beiden Beinen auf dem Boden bleiben“) stand sinnbildlich.
Vor acht Jahren saß Arch am Hangar 7 und sprach mit der
TT
über sein zweites Jahr in der Air-Race-Szene. Zu dem Zeitpunkt hatte der Steirer gerade eine private Trennung zu verkraften. Das nagte an ihm: „Du weißt ja, wie tief so etwas gehen kann.“
Der Rückzug in die seelische Einsamkeit endete mit einem Vorstoß in die berufliche Herausforderung. Die Vorbereitung zur neuen Air-Race-Saison weckte die brachliegenden Energiereserven. Die Kraft dazu holte sich der staatlich geprüfte Berg- und Skiführer in den geliebten Bergen: „Da schrumpft das Leben auf seine Grundbestandteile, das Atmen, das Gehen, die Kälte.“
Dort, wo er am besten der Schnelligkeit unserer Zeit entfliehen konnte. Einer der besten Kunstflug-Piloten der Gegenwart empfand ausgerechnet die Geschwindigkeit unserer Gesellschaft als zu schnell. Es war die Einfachheit und das Ursprüngliche, das er als Kontrapunkt in seinem Leben brauchte. Passend dazu kam sein letzter Facebook-Eintrag mit einem Bild vom Berg: „Relaxing day off in my mountains ...“
Da war aber auch die andere Seite des Steirers. Der passionierte Sportler, der vor 16 Jahren mit dem Fallschirm von der Eiger-Nordwand sprang. Im selben Jahr startete und landete er mit einem Paragleiter auf einem Heißluftballon. Weitere sechs Jahre später gewann er die Goldmedaille bei der Kunstflug-WM (Freestyle). Ab 2007 startete der Wahl-Salzburger beim Air Race – gewann ein Jahr später als erster Europäer die WM-Krone. Im Laufe der Jahre kamen drei Vizeweltmeistertitel (2009, 2010, 2014) hinzu.
Hin und wieder grübelte Arch über das Auszeitnehmen von sich selbst. Der Rummel um seine Person war groß, seine Beliebtheitswerte in Österreich stets hoch. Dafür sorgte er mit seiner offenen Art. Auch Freund Kinigadner erinnerte sich: „Hannes war für alles zu haben. Egal, ob das für Wings for Life war oder etwas anderes.“
Vor einer Woche hatte der Zillertaler noch mit ihm gesprochen. Es ging um die Bedeutung der Stiftung zur Rückenmarksforschung. Archs Freundin Miriam, ein Action- und Stunt-Model, hatte sich beide Füße gebrochen und war für einige Zeit auf den Rollstuhl angewiesen. Kinigadner: „Er hat sie sehr lange im Rollstuhl herumfahren müssen und erst gemerkt, was es bedeutet, wenn Menschen nicht selbst gehen können.“
Was Arch so gar nicht ausstehen konnte, war fremdbestimmt zu sein. Besonders das Wort „Herdentiere“ oder „Mitschwimmer“ ließ bei ihm die Nackenhaare aufstehen. Damit wollte der 1967 in Leoben Geborene nicht in Verbindung gebracht werden.
Was die Grenzen im Sport betraf, überlegte Arch oft, wie man diese verschieben kann. Allerdings mit kalkuliertem Risiko. „Das Interessante ist, sich damit auseinanderzusetzen. Mit dem Körper, mit dem Geist, mit dem Unvermögen, mit der Gefahr, das Spiel des Lebens zu spielen.“ Dieses Spiel endete gestern abrupt.
Nicht nur auf seiner Facebook-Seite herrschte Hochbetrieb. Die rotweißrote Sportwelt trauerte um den beliebten Flugpiloten. Segel-Doppel-Olympiasieger Roman Hagara schrieb: „Deine Seele, dein Herz, dein Style und deine Energie. Ich werde alles vermissen. Österreich hat einen großen Sportler und Pionier verloren. Ich habe einen Freund verloren. R.I.P. Worte können nicht beschreiben, was ich fühle.“
Österreichs Ski-Superstar Marcel Hirscher postete ein Bild von Arch und sich: „Hannes, du hast mich begeistert ... Ruhe in Frieden.“ Tirols ehemaliges Ski-Ass Niki Hosp meinte kurz und knapp: „Unglaublich. RIP Hannes.“
Ein Fan schrieb auf seiner Facebook-Seite die bewegenden Worte: „Deine Flüge werden jetzt von keinen Air Gates mehr begrenzt. Flieg durch die Wolken und schau runter auf deine Berge.“
Schicksal, Bestimmung oder Pech – wie auch immer man die Tragödie betiteln möchte, sie geht einem nahe. Der König der Lüfte wurde zu früh aus dem Leben gerissen. Hannes Arch bleibt unvergessen.