Die Stunde der Wahrheit und die der Statistik
Heute Abend werden beim Filmfestival von Venedig die Goldenen Löwen vergeben. Einen klaren Favoriten gibt es nicht.
Venedig –Ein starker, durchaus eigenwilliger Jahrgang, ohne klaren Favoriten. So fassen Festivalbeobachter den Internationalen Wettbewerb der heute zu Ende gehenden 73. Filmfestspiele von Venedig zusammen. Welches Werk die Jury um „Bond“-Regisseur Sam Mendes bei der weltweit ältesten Filmschau zum Sieger küren wird, steht folglich in den Sternen.
Anwärter auf den Goldenen Löwen ist die russisch-deutsche Produktion „Paradise“. Regisseur Andrej Kontschalowski erzählt in klar komponiertem Schwarz-Weiß von den Gräueln der NS-Vernichtungslager. Kontschalowskis Versuch, die Shoah und eine verwegene Lovestory zu kombinieren, überzeugte allerdings nicht alle Kritiker: „Hier scheitert ein Film an seinen Ambitionen“, urteilt etwa der Hollywood Reporter.
Das Branchenblatt favorisiert indessen den Eröffnungsfilm „La La Land“, mit dem sich Regisseur Damien Chazelle vor den großen Hollywood-Musicals der 40er- und 50er-Jahre verneigt. Der Film mit Ryan Gosling und Emma Stone gilt Statistikern bereits jetzt als Oscar-Kandidat: Schließlich feierten zuletzt mit „Spotlight“, „Birdman“ und „Gravity“ gleich drei Oscar-Abräumer ihre Weltpremiere am Lido.
Gute Kritiken gab es auch für „Nocturnal Animals“, die zweite Regiearbeit des Modeschöpfers Tom Ford: Ford verwandle eine Pulp-Story über Sex und Crime in ein Kunstwerk, jubelte etwa der Korrespondent des US-Blatts Variety. Den Darstellern Amy Adams – die auch Denis Villeneuves zurückhaltend aufgenommenem Wettbewerbsbeitrag „Arrival“ mitspielte – und Jake Gyllenhaal werden auch Chancen auf die Preise als beste Schauspieler zugesprochen. Dort gelten allerdings Nathalie Portman, die in „Jackie“ als trauernde First Lady alle Register zog, und der Argentinier Oscar Martínez („El ciudadano ilustre“) als Favoriten.
Beendet wurde der Wettbewerb um den Goldenen Löwen, um den in diesem Jahr 20 Filme konkurrieren, gestern Abend mit der Weltpremiere von Emir Kusturicas neuem Film „On the Milky Road“. (dpa, APA, TT)