Stichwort - Kosten für VW wegen Dieselgate drohen auszuufern
Wolfsburg/Hamburg (APA/Reuters) - Für Volkswagen sind die finanziellen Risiken durch die Abgasaffäre immer noch schwer zu kalkulieren. Zwar ...
Wolfsburg/Hamburg (APA/Reuters) - Für Volkswagen sind die finanziellen Risiken durch die Abgasaffäre immer noch schwer zu kalkulieren. Zwar hat der Konzern nach dem 15-Milliarden-Dollar-Vergleich (13,3 Mrd. Euro) in den USA mehr Klarheit darüber, was ihn der Skandal um manipulierte Dieselautos dort kosten wird. Zugleich nimmt der Druck auf die Wolfsburger in Europa zu, die Kunden auch hier zu entschädigen.
Europas größtem Autokonzern drohen weitere Kosten für Rückrufe, Aktionärsklagen und Strafen, die sich auf weit mehr als 10 Mrd. Euro auftürmen könnten. Analysten schätzen, dass die Aufarbeitung des Skandals den Konzern am Ende insgesamt zwischen 20 und 35 Mrd. Euro kosten wird, sogar von bis zu 50 Milliarden ist vereinzelt die Rede. Es folgt eine Übersicht der absehbaren Kosten:
Der US-Vergleich
Die Einigung mit Hunderten Sammelklägern, Behörden und US-Bundesstaaten kostet Volkswagen bis zu 15,3 Mrd. Dollar. Der größte Teil entfällt auf den Rückkauf von 475.000 manipulierten Dieselwagen mit 2,0-Liter-Motoren, für den gut 10 Mrd. Dollar reserviert sind. Die tatsächlichen Kosten hängen davon ab, wie viele Dieselbesitzer ihre Wagen zurückgeben und ob die US-Behörden eine Umrüstung genehmigen.
Entschädigung für US-Händler
Seinen rund 650 US-Händlern will VW Insidern zufolge mindestens 1,2 Mrd. Dollar Entschädigung zahlen, weil sie seit fast einem Jahr keine Dieselautos mehr verkaufen durften. Eine Grundsatzvereinbarung ist getroffen, für eine endgültige Einigung gab ein Gericht den Parteien bis Ende September Zeit.
Weitere Strafen und Klagen in den USA
Mit dem US-Justizministerium laufen derzeit Verhandlungen über eine Strafzahlung wegen der Abgasmanipulation. Das „Wall Street Journal“ berichtete unlängst, dem deutschen Autobauer könne eine Strafe von mehr als 1,2 Mrd. Dollar aufgebrummt werden. Analysten rechnen mit einer Summe zwischen 1 und 3 Mrd. Euro. Einige US-Bundesstaaten wollen zudem zivilrechtlich versuchen, einen höheren Schadensersatz durchzusetzen, weil sie mit dem Vergleich nicht zufrieden sind. Dabei geht es um Hunderte Millionen Dollar.
Lösung für Drei-Liter Autos lässt auf sich warten
Keine Einigung gibt es weiterhin für die rund 85.000 größeren Fahrzeuge mit Drei-Liter-Dieselmotor. VW zeigt sich zuversichtlich, dass eine Reparatur gelingen kann. Bis Ende Oktober hat das Gericht in San Francisco Volkswagen Zeit gegeben, um Lösungsvorschläge einzureichen. Für den 3. November setzte Richter Charles Breyer eine weitere Anhörung an. Sollte Volkswagen gezwungen werden, auch diese teureren Wagen zurückzukaufen, würde das weitere Milliarden verschlingen. Analysten schätzten die Kosten auf bis zu 2,5 Mrd. Euro.
Rückrufe in Europa
Ein großer Brocken ist auch die Umrüstung der rund 8,5 Millionen Dieselautos in Europa. Schätzungen reichen von gut einer bis drei Mrd. Euro, die das kosten dürfte. Der Autoanalyst Arndt Ellinghorst von Evercore ISI rechnet zudem damit, dass sich schrumpfende Marktanteile von Volkswagen und geringere Preise im Ergebnis bemerkbar machen werden.
Entschädigung auch in Europa?
Deutschlandweit klagen Autobesitzer vor mehreren Gerichten wegen überhöhter Stickoxidwerte auf Rückabwicklung des Kaufs oder Schadensersatz. Allein vor dem Landgericht Braunschweig sind rund 70 solcher Klagen anhängig. Eine Entschädigung der Kunden in Europa lehnt VW nach wie vor ab, obwohl sich Forderungen nach einem ähnlichen Vergleich wie in den USA mehren. Sollten diese dennoch fällig werden, könnte das Volkswagen finanziell das Genick brechen, fürchten Experten. Der Autoanalyst Jürgen Pieper vom Bankhaus Metzler geht von einem Wertverlust in einer Größenordnung von 500 Euro je Fahrzeug aus. „Es ist schwierig zu sagen, ob VW am Ende doch einen symbolischen Betrag zahlen wird.“ Branchenexperte Ellinghorst hält es für wahrscheinlich, dass die Kunden in Europa kein Geld sehen werden.
Ärger rund um den Globus
Weltweit droht Volkswagen in mehreren Ländern Ungemach. „Wir haben die ganze Welt am Hals“, sagte Konzernchef Matthias Müller unlängst. Südkorea, zweitgrößter Markt für Dieselfahrzeuge in Asien, zog die Zulassungen für VW- und Audi-Modelle zurück und verhängte eine Strafe von 14,3 Mio. Euro. In Australien fordern Besitzer von VW-Dieseln Entschädigung von umgerechnet 6.700 Euro pro Fahrzeug, die Verbraucherschutzbehörde klagt ebenfalls gegen VW. In Italien brummte die Wettbewerbsbehörde VW eine Strafe von bis zu 5 Mio. Euro auf, in Großbritannien forderte der Umweltausschuss vom Parlament eine härtere Gangart gegen VW. Auch in Kanada ringt der Konzern noch um die Beilegung des Abgasskandals. Würde das US-Entschädigungmodell auf den nördlichen Nachbarn übertragen, müsste der Konzern womöglich mit einer weiteren Belastung in Milliardenhöhe rechnen.
Aktionärsklagen
Weltweit sieht sich Volkswagen zudem mit milliardenschweren Schadensersatzklagen von Investoren und Kleinaktionären konfrontiert. Die Inhaber von Aktien und Anleihen werfen Volkswagen vor, zu spät über das Ausmaß des Abgasskandals informiert zu haben und wollen einen Ausgleich für Kursverluste durchsetzen. Zu den Klägern gehören große US-Pensionsfonds, der Norwegische Staatsfonds, aber auch der Versicherungskonzern Allianz und die Dekabank. Das Land Bayern hat ebenfalls angekündigt, wegen Kursverlusten seines Pensionsfonds für die Landesbeschäftigten vor Gericht zu ziehen. Hessen und Baden-Württemberg prüfen einen solchen Schritt. Beim Landgericht Braunschweig liegen 290 Schadensersatzklagen mit Forderungen von zusammen rund 4 Mrd. Euro.
Die Krise ist eine große Einnahmequelle für Anwälte
Die Scharen an Anwälten, die Volkswagen weltweit wegen des Dieselskandals beschäftigt, verschlingen ebenfalls Geld. Der Autoexperte Pieper geht von bis zu einer Milliarde Euro aus, sein Kollege Ellinghorst schätzt die Anwaltskosten auf mehrere hundert Millionen.
~ ISIN DE0007664039 WEB http://www.volkswagenag.com ~ APA277 2016-09-09/12:41