Venedig

Ein Festival erfindet sich neu

Weißer Rauch und blauer Dunst: Jude Law als „junger Papst“ in Paolo Sorrentinos gleichnamiger TV-Serie.
© Wildside/Haut et Court TV/Mediap

Angesichts der starken Konkurrenz in Toronto beschritten die Filmfestspiele von Venedig heuer Wege am Rand des Mainstreams.

Venedig –Der Abschlussfilm hatte Symbolcharakter. In mehrfacher Hinsicht: Antoine Fuquas krachendes Remake des Western-Klassikers „Die glorreichen Sieben“, das am Samstag die 73. Filmfestspiele von Venedig beendete, führt vor Augen, dass das US-Kino weiterhin darum bemüht ist, die eigene Geschichte kassenträchtig auszuschlachten. Vor allem aber macht der mit Denzel Washington, Chris Pratt und Ethan Hawke prominent besetzte Film, der Ende des Monats auch in Österreich anläuft, eine Verschiebung in den Hierarchien des Filmbusiness deutlich: Denn die Vorführung am Lido war keine Weltpremiere. Die fand bereits einen Tag davor zur Eröffnung des 41. Filmfestivals von Toronto statt, das der „Mostra internazionale d’arte cinematografica“ inzwischen den Rang als Trendbarometer für den Kinoherbst abgelaufen zu haben scheint.

Festival-Direktor Alberto Barbera, seit 2012 im Amt, hat diese Not zum Programm gemacht – und fischt konsequent und durchaus erfolgreich, heuer wurde ein Zuschauerplus von gut 15 Prozent verzeichnet, an den Rändern des Mainstreams.

Bestes Beispiel: Der Philippine Lav Diaz, der am Samstagabend – die TT berichtete – für „The Woman Who Left“ mit dem Goldenen Löwen ausgezeichnet wurde. Diaz ist mit sperrigen, eminent politischen Filmen binnen weniger Jahre vom Geheimtipp zum Star des internationalen Festivalzirkuses geworden. Mit „From What Is Before“ gewann er 2014 in Locarno. Anfang des Jahres präsentierte er „A Lullaby to the Sorrowful Mystery“ im Wettbewerb der Berlinale – und holte den Alfred-Bauer-Preis. Einer kommerziellen Kinoauswertung entziehen sich Diaz’ Filme schon durch ihre Laufzeit: „The Woman Who Left“ ist gut vier Stunden lang – und einer der kürzeren Filmen des Regisseurs.

Dass es ganz ohne exklusiven Hollywoodglanz auch in Venedig nicht geht, zeigt indessen die mit dem Preis der Jury gewürdigte US-Produktion „Nocturnal Animals“: Tom Fords Thriller punktete mit elegantem Storytelling und prominenter Besetzung (Amy Adams und Jake Gyllenhaal).

Im Fall von „Nocturnal Animals“, einem möglichen Oscar-Kandidaten, setzte sich Venedig gegen Toronto durch: Dort lief der Film erst nach seiner Venedig-Premiere.

Auch die – zumindest in Italien – meistkommentierte Premiere des Festivals stand im Zeichen einer Zeitenwende: Mit „Der junge Papst“ wurde, erstmals in mehr als sieben Jahrzehnten Festivalgeschichte, ein TV-Mehrteiler gezeigt: Oscar-Preisträger Paolo Sorrentino („La grande bellezza“) erzählt darin von vatikanischen Intrigen. Im Zentrum: Jude Law als auch weltlichen Freuden nicht abgeneigtes Kirchenoberhaupt und Diane Keaton als Strippenzieherin im Nonnen-Habit. Pay-TV-Kanal Sky Atlantic wird die Serie Ende Oktober ausstrahlen.

Das Filmfestival von Toronto, bei dem das Publikum seine Favoriten kürt, geht am Sonntag zu Ende. (jole)