Heftige Kämpfe vor Feuerpause, Assad will ganz Syrien zurückerobern
Mit Einbruch der Dunkelheit sollte am Montag die Waffenruhe in Syrien in Kraft treten. Kurz davor tobten die Kämpfe aber noch heftig. Machthaber Assad meldete sich bei einem seltenen öffentlichen Auftritt zu Wort.
Damaskus – Mit Sonnenuntergang soll am Montagabend eine zunächst 48 Stunden dauernde Waffenruhe beginnen. Noch am Vormittag gingen die Kämpfe unvermindert weiter. Syriens Präsident Bashar al-Assad kündigte indes an, das gesamte Staatsgebiet wieder unter seine Kontrolle bringen zu wollen.
„Der syrische Staat ist entschlossen, alle Gebiete von den Terroristen zurückzuerobern und wieder aufzubauen“, sagte Assad laut staatlichen Medien bei einem seltenen öffentlichen Auftritt in der einstigen Rebellenhochburg Daraya, einem Vorort von Damaskus, den die Regierung im Vormonat unter ihre Kontrolle gebracht hatte. Dort nahm Assad gemeinsam mit Ministern und Abgeordneten an einem Gebet in der Moschee teil.
Heftige Kämpfe um Aleppo
Während am Montagabend eine von den USA und dem Assad-Verbündeten Russland ausgehandelte Waffenruhe in Kraft treten soll, gingen die Kämpfe kurz davor aber unvermindert weiter. Besonders um die nordsyrische Metropole Aleppo habe es heftige Gefechte gegeben, teilte die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte mit. Kampfflugzeuge flogen demnach zahlreiche Angriffe. Auch in der Provinz Idlib und nahe der Hauptstadt Damaskus hätten Kampfjets Angriffe geflogen.
Die Feuerpause soll mit Einbrechen der Dunkelheit (etwa 17.45 Uhr) in Kraft treten und zunächst für 48 Stunden gelten. US-Außenminister John Kerry und der russische Chefdiplomat Sergej Lawrow hatten einen entsprechenden Plan in der Nacht auf Samstag in Genf vorgestellt. Russland ist mit der syrischen Regierung verbündet, die USA unterstützen gemäßigte Rebellengruppen. Auch der Iran will die geplante Waffenruhe unterstützen. Bisher waren sämtliche Anläufe weitgehend gescheitert, die Kämpfe zu stoppen und die notleidende Bevölkerung mit Hilfsgütern zu versorgen.
Oppositionsbündnis fordert Garantien von USA
Von der Waffenruhe ausgenommen sind einige Islamisten-Milizen, darunter die Terrororganisation IS (Daesh). Hält die Waffenruhe für sieben Tage, wollen die USA und Russland gemeinsam militärisch gegen Terrorgruppen in Syrien (unter anderem der IS und die ehemalige Al-Nusra-Fron, jetzt: Jabhat Fatah al-Sham) vorgehen.
Das wichtigste syrische Oppositionsbündnis, das Hohe Verhandlungskomitee (HNC), forderte „Garantien“ für die Umsetzung der vereinbarten Waffenruhe. Die Opposition verlange insbesondere von den USA Garantien, da sie die Vereinbarung mit ausgehandelt hätten, sagte HNC-Sprecher Salem al-Muslet. Die Frage sei, ob die syrische Regierung und ihr Verbündeter Russland die Waffenruhe befolgten „und ihre Luftangriffe und ihre Verbrechen stoppen“. Außerdem müsse genauer definiert werden, welche Rebellengruppen als „Terroristen“ weiter bekämpft würden.
Türkei will Hilfsgüter nach Aleppo liefern
Sobald die Waffenruhe greife, wolle die Türkei mehr als 30 Lastwagen mit Hilfsgütern nach Syrien, vor allem nach Aleppo, bringen. Die türkische Hilfsorganisation Roter Halbmond werde versuchen, die Grenzorte Jarablus und Al-Rai zu erreichen, erklärte Präsident Recep Tayyip Erdogan in Istanbul. Wenn die 48-stündige Waffenruhe halte, könne sie verlängert werden. Ziel sei ein „Frieden erster Klasse“. Die türkische Offensive gegen den Islamischen Staat (IS) im Norden Syriens werde aber fortgesetzt.
Russland forderte indes eine neue Runde von Friedensgesprächen zwischen den syrischen Konfliktparteien. „Ich glaube, dass (der UN-Sonderbeauftragte Staffan) de Mistura wahrscheinlich Anfang Oktober alle Seiten einladen sollte“, sagte der stellvertretende russische Außenminister Michail Bogdanow der Nachrichtenagentur RIA zufolge. Eine erste Runde von Gesprächen unter UNO-Vermittlung hat trotz mehrerer Treffen in Genf nicht zu einem Stopp der Kämpfe geführt. An den im Frühjahr gescheiterten Verhandlungen waren auch Vertreter regionaler Mächte wie Saudi-Arabien, der Iran und die Türkei beteiligt. (APA/Reuters)