Internationale Pressestimmen zur vereinbarten Waffenruhe in Syrien

Damaskus/Washington/Moskau (APA/dpa) - Zur vereinbarten Waffenruhe zwischen den USA und Russland in Syrien schreiben internationale Tageszei...

Damaskus/Washington/Moskau (APA/dpa) - Zur vereinbarten Waffenruhe zwischen den USA und Russland in Syrien schreiben internationale Tageszeitungen am Montag:

„Times“ (London):

„Ob die Waffenruhe hält, hängt vom Wohlwollen des Kreml ab. Präsident Putin ist bewusst, dass (die US-Präsidentschaftsanwärterin) Hillary Clinton sich seit Jahren für Flugverbotszonen über Syrien ausspricht. Er wollte deren Einrichtung um jeden Preis zuvorkommen. Russlands Macht über seinen Klientelstaat hängt von dessen Fähigkeit ab, den Luftraum zu kontrollieren und nach Belieben Angriffsziele zu bombardieren. Eine von den USA durchgesetzte Flugverbotszone wäre eine direkte Herausforderung. Das hat Putin bewogen, Zustimmung zu einer friedlichen Kooperation mit der scheidenden Obama-Administration vorzutäuschen. (...) Deshalb ist diese Waffenruhe - wenngleich dargestellt als ein Akt barmherziger Staatskunst - eher Ausdruck einer zynischen Realpolitik Moskaus und der verzweifelten Kapitulation der US-Regierung, die im Nahen Osten seit 2011 immer wieder auf dem falschen Fuß erwischt wurde.“

„Nesawissimaja Gaseta“ (Moskau):

„Als die Nachricht von der Einigung aus den Verhandlungszimmer im Genfer Hotel ‚Präsident Wilson‘ durchsickerte, zogen politische Optimisten gleich historische Parallelen zur Anti-Hitler-Koalition. Doch es ist längst nicht sicher, dass eine ebenso vollwertige Militärallianz zwischen Russland und den USA im Kampf gegen den Islamischen Staat entstehen wird - vor allem, weil die Ziele beider Seiten überhaupt nicht übereinstimmen. (...) Im Krieg in Syrien wird eine technische Pause eingelegt, bestenfalls bis zum Ende der Präsidentenwahlen in den USA.“

„Kommersant“ (Moskau):

„In Syrien soll eine Waffenruhe in Kraft treten. Obwohl sich bereits mehrere Hundert Ortschaften einer früheren Feuerpause angeschlossen haben und die Regierung die Vereinbarung (Russlands und der USA) begrüßt hat, dürfte sich die Umsetzung als schwieriger erweisen, als es die offiziellen Vertreter zugeben wollen.“

„Frankfurter Allgemeine Zeitung“:

„ ... Würden die Kampfhandlungen zwischen den Regierungstruppen und den Rebellen eingestellt, würde das den Konflikt zwar nicht lösen, es könnte aber Raum für neue Verhandlungen über einen politischen Übergang geben. Mit den Jihadisten und den Terroristen vom ‚Islamischen Staat‘ soll allerdings nicht verhandelt werden. Die wollen Washington und Moskau sogar gemeinsam bekämpfen ... . Allem Anschein nach haben sich die Vereinigten Staaten und Russland, ungeachtet ihrer vielen Differenzen, auf eine Art syrisches Kondominium geeinigt. Sie sind die Mächte, die entscheiden. Für den russischen Präsidenten ist das ein schöner Prestigeerfolg und die Anerkennung seiner Interessen in Syrien. Für den amerikanischen Präsidenten Obama bleibt die traurige Aussicht, dass der Herrscher Assad ihn vermutlich im Amt überdauern wird.

„La Croix“ (Paris):

„Die Vorsicht gebietet abzuwarten, wie die Waffenruhe vor Ort umgesetzt wird. Aber man kann jetzt schon den Willen der Supermächte begrüßen, sich anzunähern und einen Ausweg aus diesem furchtbaren Krieg zu finden, der schon seit fünfeinhalb Jahren andauert. Diese Zusammenarbeit ist ein Schlüssel, um eines Tages zu einem Frieden zu gelangen. Aber sie alleine reicht nicht aus. Um zu einer umfassenden Vereinbarung zu kommen, müssen andere wichtige Akteure ebenfalls ihre Strategie ändern. Die Regionalmächte Türkei, Iran, Katar und Saudi-Arabien, die das eine oder das andere Lager bewaffnen oder direkt an den Kämpfen beteiligt sind, werden bei ihren Zielen Abstriche machen müssen.“

„Neue Zürcher Zeitung“:

„Assad kann sich vorerst sicher fühlen. Mit keinem Wort erwähnt die Vereinbarung die Forderung nach seinem Rücktritt. Die Taktik des Machthabers scheint aufzugehen. Mit Belagerungen und Bombardierungen hat er Rebellenhochburgen in die Knie gezwungen, das Völkerrecht mit Füßen getreten und maßgeblich zur Radikalisierung des Aufstands beigetragen. Dass sich die Amerikaner anscheinend damit abgefunden haben, dass Assad im Amt bleibt, ist vor allem für viele demokratische Aktivisten bitter - und es ist ein Armutszeugnis für Amerika.

Russland hat mit der Vereinbarung erreicht, dass sich die Amerikaner auf den gemeinsamen Kampf gegen den syrischen Kaida-Ableger verpflichten. Aber was passiert, wenn sich die Rebellen von den gemeinsamen Frontlinien mit der Jabhat Fatah al-Scham (früher: Al-Nusra Front) zurückziehen? (...) Dass die Radikalen alles tun werden, um ihren Machtverlust zu verhindern, davon darf man ausgehen. Aber sie sind nicht die Einzigen. Auch Iran könnte trotz seiner verbalen Unterstützung die Vereinbarung hintertreiben. Nun hängt es an Washington und Moskau, ihre Verbündeten von ihrem Kurs zu überzeugen.“