Oppositionelle schafften Sprung in weißrussisches Parlament

Minsk (APA/dpa/Reuters) - Bei der Wahl im autoritär regierten Weißrussland haben erstmals seit zwölf Jahren Oppositionelle den Sprung ins Pa...

Minsk (APA/dpa/Reuters) - Bei der Wahl im autoritär regierten Weißrussland haben erstmals seit zwölf Jahren Oppositionelle den Sprung ins Parlament geschafft. In Minsk sei nach vorläufigen Ergebnissen mit Anna Kanopazkaja von der Vereinigten Bürgerpartei eine Oppositionsvertreterin gewählt worden, sagte Wahlleiterin Lidija Jermoschina am Montag.

Beobachter werteten ihre Wahl als Zeichen für eine Kooperationsbereitschaft von Machthaber Alexander Lukaschenko mit dem Westen.

Kanopazkaja hatte im Wahlkampf konstruktive Kritik an der Regierung geübt und den Bau von mehr Schulen gefordert. Regierungskritische Medien stuften zudem die gewählte Politikerin Jelena Anisim als Oppositionelle ein. Sie setzt sich für eine Stärkung der weißrussischen Sprache ein. Russisch und Weißrussisch sind Amtssprachen, das Russische dominiert jedoch im Alltag.

Ins Parlament gewählt wurde außerdem der amtierende weißrussische Botschafter in Österreich, Waleri Woronezki. Der künftige Parlamentarier sieht seinen Wahlerfolg auch im Zusammenhang mit der aktuellen österreichisch-weißrussischen Annäherung, wie er gegenüber der APA sagte. „Meine Arbeit in Wien hat eine bestimmte und womöglich sogar eine große Rolle für diesen Sieg gespielt“, sagte er. Der Diplomat, der formal als unabhängiger Kandidat auftrat, machte keinen Hehl aus seiner Affinität zur Politik von Lukaschenko.

Der 62-jährige Lukaschenko regiert in Minsk seit 22 Jahren. Er gilt als „letzter Diktator Europas“ und pflegt engen Kontakt zu Russland. Weißrussland vollstreckt als einziges Land in Europa die Todesstrafe.

Nach Angaben der Wahlkommission nahmen knapp 75 Prozent der rund sieben Millionen Berechtigten an der Parlamentswahl vom Sonntag teil. Nach vorläufigen Ergebnissen gingen die meisten der 110 Mandate an regimetreue Kandidaten.

Eine Bewertung der Wahl durch die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) wurde am Nachmittag erwartet. Die OSZE berichtete im Vorfeld, der Wahlkampf sei unsichtbar, und die wenigen Veranstaltungen seien kaum besucht. Der Grund sei einfach, meinte stellvertretend für viele die Kindergärtnerin Magda. „Die Regierungskandidaten haben den Sieg schon in der Tasche und Wahlkampf nicht nötig. Und ihre Konkurrenten machen sich keine Illusionen.“

Der Erfolg der Opposition dürfte die politische Landschaft der ehemaligen Sowjetrepublik nicht maßgeblich verändern. Der Ablauf der Wahl zeigt aber, dass die Führung in Minsk für bessere Beziehungen zum Westen zu Zugeständnissen bereit ist. So konnten sich oppositionelle Kandidaten leichter für die Wahl registrieren, und externe Beobachter hatten ein Auge auf das Votum.

Weißrussland bemüht sich trotz Lukaschenkos engen Verbindungen zu Russlands Präsidenten Wladimir Putin um eine vorsichtige Annäherung an die EU. Das Land will sich damit unabhängiger vom derzeit schwierigen russischen Markt machen, auf den bisher 40 Prozent der weißrussischen Exporte entfallen. Minsk setzt auf frische Kredite aus dem Westen. Die weißrussische Wirtschaftsleistung war 2015 um fast vier Prozent geschrumpft. Auch für heuer sind die Aussichten trübe. „Wir wollen nicht mit Sanktionen leben“, sagte der Präsident. Das enge Verhältnis zum „Bruderstaat“ Russland solle unter der Annäherung an den Westen aber nicht leiden, betonte Lukaschenko.

Die EU hatte nach der friedlichen Präsidentenwahl 2015 und der Freilassung politischer Häftlinge Strafmaßnahmen gegen die Führung in Minsk gelockert. Die Sanktionen waren nach dem Vorgehen gegen Opposition und Demonstranten 2010 verhängt worden.