„50 x Wien“: Historisches von „Schwein gehabt“ bis zur echten „Hetz‘“
Wien (APA) - Jeder hat hoffentlich schon einmal „Schwein gehabt“ - und dabei nicht nachgedacht, woher dieser Ausdruck kommt. Eine Theorie er...
Wien (APA) - Jeder hat hoffentlich schon einmal „Schwein gehabt“ - und dabei nicht nachgedacht, woher dieser Ausdruck kommt. Eine Theorie erzählt Georg Hamann in seinem neuen Buch „50 x Wien, wo es Geschichte schrieb“. Es sind aber nicht nur solche Anekdoten, die den Band wertvoll machen. Hamann präsentiert spannende und wissenswerte historische Schmankerln, die dem Leser die Bundeshauptstadt näher bringen.
Das mit dem „Schwein haben“ kam Hamann zufolge so: Im Mittelalter gab es das „Scharlach-Pferderennen“, das über den heutigen Rennweg (!) führte. Der Drittplatzierte bekam als Trostpreis ein Spanferkel. Doch geht der auf Wiener Stadtgeschichte spezialisierte Historiker auch tiefer und ernster in die Historie, und bringt so manche im kollektiven Geschichtsbewusstsein nicht verankerte Facette vom Mittelalter bis zum 20. Jahrhundert ans Tageslicht.
Etwa die Streitigkeiten nach der Befreiung Wiens von der Türkenbelagerung 1683. So entwickelte sich nach der Schlacht ein rechter Zwist zwischen den polnischen, bayrischen, sächsischen und österreichischen Verbündeten, von christlicher Solidarität gegen die muslimischen Aggressoren war da nur noch wenig zu spüren. Selbst der Habsburger Kaiser Leopold und der polnische König Jan III. Sobieski gerieten zumindest protokollarisch aneinander.
Polen war keine Erb- sondern eine Wahlmonarchie, in der der Adel einen König wählte. Und Jan Sobieski war der Kandidat von Leopolds Erzfeind Frankreich gewesen. An dieser Rivalität vermochte auch Sobieskis Führungsrolle bei der Befreiung Wiens nichts ändern.
Der Autor kümmert sich aber nicht nur um kriegshistorische Events, sondern erinnert beispielsweise auch an Carolus Clusius, der Europa und damit auch Wien im 16. Jahrhundert bunter machte. Der niederländische Botaniker brachte nämlich die Rosskastanie (und damit ihre Blüte) ebenso nach Wien wie Tulpen, Flieder, Iris oder die Kartoffel, fortan auch Erdapfel oder „Grundbirn‘“ genannt.
Der Universalgelehrte hatte nach ausgedehnten Studienreise nach Gent, Löwen, Marburg, Wittenberg oder Paris bei Kaiser Maximilian in Schloss Neugebäude Unterschlupf gefunden. Nach Maximilians Tod im Jahr 1567 fiel Clusius bei dessen Sohn Rudolf II. freilich in Ungnade, vor allem weil er Protestant war. Der Forscher zog mit seiner Botanisiertrommel weiter ins südliche Burgenland, wo ihm in Person von Graf Balthasar von Batthyany ein neuer Mäzen erwuchs.
Spuren des Religionszwists zwischen Reformierten und Katholiken findet Hamann auch an anderen Orten, sogar wenn sie getilgt wurden. So studierte der berühmte Schweizer Reformator Ulrich Zwingli Ende des 15. Jahrhunderts in Wien. Sein Name wurde aber in den Akten für das Wintersemester 1498/99 mit dem Vermerk „exclusus“ („ausgeschlossen“) versehen. Da keinerlei Disziplinlosigkeiten überliefert sind, ist anzunehmen, dass die Streichung nachträglich vorgenommen wurde, nachdem sich Zwingli gegen die römisch-katholische Kirche gestellt hatte.
Mitunter zerrt der Autor auch durchaus grausame Details aus dem Fundus der Geschichte hervor. Wer weiß schon, dass einmal ein Wiener Bürgermeister zum Tode verurteilt und gevierteilt wurde? Diese Schicksal ereilte am 15. April 1463 den mit Ochsen und Pferden reich gewordenen Viehhändler Wolfgang Holzer, der 1461 mit einem Putsch an die Spitze Wiens gespült worden war. Im Zuge eines Konflikts mit Erzherzog Albrecht VI. ereilte ihn ein höchst schmerzhaftes und unrühmliches Schicksal: „Er wurde lebendigen Leibes zerhackt, seinen Kopf und weitere Teile seines geschundenen Körpers stellte man auf Stangen vor den Stadttoren öffentlich zur Schau, den Rest verfütterte man an die Tiere.“
Mitunter erinnern die 50 Kapitel an das gute, alte Sagenbuch, mit dem Unterschied, dass sich der Autor stets auf historische belegte Quellen stützt. Anhand tragischer, ergreifender, manchmal unterhaltsamer, oft unglaublicher Anekdoten oder Schicksalen führt er den Leser in einer ebenso lehrreichen wie vergnüglichen Weise durch die Wiener Geschichte.
Er macht sie fest an Gräbern oder Denkmälern, Gemälden oder Straßennamen. Nehmen wir etwa die Hetzgasse in Wien-Landstraße. Hier wurde bis 1796 der Tierhatz gefrönt. Neben Löwen, Tigern und Leoparden wurden auch Wildschweine, Wölfe, Schakale oder Füchse aufeinander losgejagt, auf dass sie sich möglichst blutig massakrierten. Den Wienern gefiel‘s, haben sie doch bis heute gern „a echte Hetz‘“...
(S E R V I C E - Georg Hamann: 50 x Wien, wo es Geschichte schrieb. Unbekanntes, Unerwartetes, Unglaubliches. Amalthea Signum Verlag, Wien 2016. 272 seiten, 25 Euro. ISBN 978-3-99050-048-4 . Als E-Book 17,99 Euro. EAN 9783903083318)