BP-Wahl - Deutsche Pressestimmen: „Vertrauen bleibt auf der Strecke“
Wien (APA) - Die Verschiebung der Wiederholung der Stichwahl um das Amt des österreichischen Bundespräsidenten ist am Dienstag auch in deuts...
Wien (APA) - Die Verschiebung der Wiederholung der Stichwahl um das Amt des österreichischen Bundespräsidenten ist am Dienstag auch in deutschen Zeitungen kommentiert worden:
„Tageszeitung (taz)“ (Berlin):
Welche Auswirkungen kann dieses Fiasko auf die Wahl haben, die voraussichtlich Anfang Dezember stattfindet? Alexander van der Bellens Wahlkampf hatte in den letzten Wochen viel Momentum, unzählige Initiativen aus der Zivilgesellschaft machen sich für ihn stark - dieser Lauf ist jetzt durch die neuerliche Panne erst einmal gestoppt. Zugleich positioniert sich sein Gegner als Anti-Establishment-Kandidat, und die FPÖ trommelt fleißig, dass ‚das System‘ diesen Wahlkartenskandal verursacht hat. Alles, was Zorn auf die Regierung begründet, hilft zunächst dem Anti-System-Kandidaten. Aber die Polarisierung und die zunehmend radikalisierte Anti-System-Rhetorik, in die sich die FPÖ hineinschraubt, kann letztlich auch dem grünen Kandidaten nützen. Er wächst mehr und mehr in die präsidiale Rolle hinein, gibt sich staatsmännisch und ausgleichend - während sein Konkurrent Gefahr läuft, ein rein ultrarechtes Programm für seine Stammklientel zu fahren und darüber die Mitte zu verlieren.
„Nürnberger Nachrichten“:
„Nun ist - das lässt sich in Österreich genauso wie in Deutschland und den USA beobachten - gerade auf der politischen Rechten die Einstellung weit verbreitet, sich die Welt so zu machen, wie sie einem gefällt. Geht die Wahl zur eigenen Zufriedenheit aus, wird sie als Aufbegehren ‚des Volkes‘ gegen „das Establishment“ gedeutet. Wird sie verloren, dann muss Betrug vonseiten dieses ‚Establishments‘ vorliegen. Damit letztere Behauptung nicht auf fruchtbaren Boden fällt, darf an einer Richtungswahl wie der in Österreich - und dem Ergebnis, das sie bringt - am Ende nicht der Hauch eines Zweifels bestehen.“
„Stuttgarter Nachrichten“:
„Auf der Strecke bleibt das Vertrauen, dass Richter und Wahlbehörden brauchen, um zu arbeiten. Stattdessen wird Verschwörungstheorien noch weiter Tor und Tür geöffnet. Schon arbeitet die FPÖ daran, die erneute Verschiebung als taktisch motiviertes Komplott der angeblich ins Hintertreffen geratenen anderen Parteien zu diffamieren - um selbst abseits allen Rechts ein Verbot der für sie in der Regel weniger erfolgreichen Briefwahl zu fordern. Manche Österreicher fragen bereits defätistisch, wozu das Land überhaupt einen Präsidenten braucht, wo es bisher doch ganz gut ohne ausgekommen ist. Das aber legt populistisch die Axt an die Wurzel der Republik.“
„Bild“ (Berlin):
„Verlierer des Tages: Wolfgang Sobotka
Österreichs Innenminister Wolfgang Sobotka (60, ÖVP) musste gestern verkünden, dass die Pannenserie bei der Bundespräsidentenwahl weitergeht. Weil sich viele Briefwahl-Umschläge nicht richtig verkleben lassen, wird die Wiederholung der Stichwahl auf den 4. Dezember verschoben. Zusatzkosten: zwei Mio Euro.
meint: Scheibenkleister!“
„Süddeutsche Zeitung“ (München):
„Loriot hätte seine Freude an dieser Pressekonferenz gehabt. Sobotka referiert über die ‚technische Situation des Klebers‘ oder über dessen ‚technisches Gebrechen‘. Herrlich komische Formulierungen wären das, wenn es nur nicht so peinlich wäre. Die Republik hat seit Monaten kein reguläres Staatsoberhaupt mehr.“
http://www.fpoe.at ~ APA096 2016-09-13/09:39