Ski Alpin

Zurücklehnen spielt es nicht für Marcel Hirscher

Bei der gemeinsamen Gondelfahrt mit der Wildspitzbahn plauderte Marcel Hirscher aus dem Nähkästchen.
© Julia Hammerle

Auch nach fünf Gesamtweltcupsiegen in Folge funktioniert das Team Hirscher nach bekannten Mustern. Dieser Tage trainiert der ÖSV-Superstar auf dem Pitztaler Gletscher. Die TT war gestern Vormittag dabei.

Von Max Ischia

Mandarfen –Die leicht geröteten Augen kommen nicht von ungefähr. Marcel Hirscher ist müde. Oder ausgelaugt. Oder beides. Sein samstägiger Kajak-Einsatz beim Dolomitenmann stecke ihm jedenfalls noch in den Knochen, wie er einräumt. Einen wie ihn kann dies aber weder aufhalten noch einbremsen.

Hirscher gibt Gas. So wie immer. Es ist knapp nach neun Uhr morgens, als Österreichs Ski-Superstar auf dem Pitztaler Gletscher nach seinem sechsten Riesentorlauf-Zeitlauf bei Trainer Mike Pircher abschwingt. Kurz darauf gesellt sich Vater Ferdinand dazu und meint in Richtung seines Sohnes: „Unten warst zweimal ordentlich zu spät dran.“ Marcel nickt und signalisiert, dass es erst einmal genug ist für heute.

Noch im Dunkel der Nacht, es war kurz nach sechs, waren der fünffache Gesamtweltcupsieger und sein Team mit der Wildspitzbahn auf den Hinteren Brunnenkogel (3440 m) gefahren. Später, als die Dämmerung einsetzte und die ersten Sonnenstrahlen die schneearmen Felsriesen erhellte, wurde auf der bestens präparierten Piste Material getestet. Neues Material. Mehr wollte man dazu nicht sagen.

Nach sechs Zeitläufen auf knapp 3500 Meter Seehöhe wird die Luft dünn.
© Julia Hammerle

Warum auch. Weiterentwicklungen sind im Team Hirscher eine Selbstverständlichkeit. Kaum ein Tag, an dem man nicht in Zusammenspiel mit Ausrüster Atomic an irgendwelchen Stellschrauben dreht oder überhaupt an – im besten Fall siegbringenden – Innovationen tüftelt. Nicht mehr dabei ist die langjährige Servicemann-Ikone Edi Unterberger, die einst schon Hermann Maier mit „Geschossen“ versorgt hat und im Frühjahr in die Entwicklungsabteilung des Österreichischen Skiverbandes (ÖSV) gewechselt ist. Nun sorgen eben Ex-Rennläufer Thomas Graggaber und Unterbergers „Zauberlehrling“ Johann Strobl, wie Hirscher augenzwinkernd meint, für möglichst perfekte Arbeitsgeräte. „Dadurch, dass der Johann im Team geblieben ist, ist auch viel Detailwissen erhalten geblieben.“

Die fünfte Große Kristallkugel, die den Tüftler vor dem Herrn im März alpine Weltcupgeschichte schreiben hatte lassen, hat ihn nicht ruhiger gemacht. Der Winter war noch nicht vorrüber, da waren bereits neue Projekte angeleiert. Hirscher in aller Entschlossenheit: „Entweder mache ich etwas g’scheit oder gar nicht.“ Zufälle sollen weitestgehend ausgeschlossen bzw. minimiert werden. Und wenn Hirscher auf der Piste einen auf den Deckel kriegt, was höchst selten passiert, dann rennt er nach eigenen Angaben noch hochtouriger. Er spricht von 120 Prozent – vielleicht sind es sogar mehr.

Auf die Bitte, den Marcel Hirscher vor fünf Jahren mit jenem von heute zu vergleichen, fallen dem Skifahrer keine wesentlichen Unterschiede auf. Dem Privatmenschen sehr wohl. „Nach dem ersten Gesamtweltcupsieg ist eine neue Welt auf mich hereingeprasselt. Da habe ich wachsen müssen, richtig schnell.“ Auch wenn er vieles, wenn nicht alles dem Erfolg unterordne, auch wenn der Skisport sein Leben sei, er hat sich auch ein Stück weit Distanz bewahrt. „Wenn ich alles auf dem Sport aufgehängt hätte, wäre es nicht lustig. Ich sag nur: heute hero, morgen zero.“ Also heute Held und morgen eine Null. Nachsatz: „Das ist leider die bittere Wahrheit.“ Eine, die den personifizierten Erfolg wohl nie einholen wird ...

„ Der Antrieb, immer Neues zu machen, bringt dich weiter, lässt dich aber auch nicht immer gut schlafen.“ Marcel Hirscher
© Julia Hammerle