Mega-Stau in Innsbruck: Abkürzung ins Chaos
Unfall mit großer Wirkung: Wer am Montag dem Stau auf der Inntalautobahn zwischen Innsbruck und Völs ausweichen wollte, kam im Stadtverkehr vom Regen in die Traufe.
Von Nikolaus Paumgartten
und Marco Witting
Innsbruck –Als „Chaos und Anarchie“ beschrieb gestern am Telefon ein Autofahrer die Situation in und um Innsbruck am Montagabend. Wie berichtet, hatte ein umgestürzter Lkw auf der Inntalautobahn bei Innsbruck-West für die Sperre einer Spur und im Stadtverkehr für einen Mega-Stau gesorgt. Selbst für kürzeste Strecken brauchten die Autofahrer oft eine Stunde. Doch warum kann ein einzelner Unfall so ein Chaos auslösen? Und was könnte man dagegen machen?
Im Innsbrucker Stadtgebiet sei es zwar schon länger nicht mehr zu einem derart großen und flächendeckenden Stau gekommen, meint Polizist Walter Jehle von der Verkehrsinspektion Wilten, „Situationen wie jene am Montag sind uns aber natürlich gut bekannt und kommen immer wieder einmal vor.“ Vor allem im Sommer, wenn das Wetter schlecht ist und es die Urlaubsgäste aus den Feriendörfern in die Stadt statt auf die Berge zieht, droht in der Hauptstadt der Alpen der Verkehrskollaps.
Im konkreten Fall seien es aber weniger die Urlauber als vielmehr die Summe ungünstiger Faktoren gewesen, die den Verkehr in Innsbruck zum Erliegen gebracht hat. „Das beginnt schon damit, dass es nirgends in Österreich auf einer derart kurzen Strecke so viele Autobahnauf- und -abfahrten gibt wie in Innsbruck“, erklärt Verkehrspolizist Jehle. Jene Lenker, die auf der Inntalautobahn in Richtung Westen unterwegs waren, konnten in Innsbruck-Ost, Innsbruck-Mitte, über den Knoten Innsbruck-Süd oder über Innsbruck-West die Autobahn verlassen. In der Meinung, dem Stau nach dem Unfall zwischen Innsbruck-West und Völs ausweichen zu können, überlasteten sie innerhalb kürzester Zeit das städtische Straßennetz. Dabei war dieses zum Unfallzeitpunkt bereits aufgrund des langsam einsetzenden Feierabendverkehrs stark beansprucht. „Außerdem haben wir Schulbeginn, und viele Eltern sind dieser Tage am Nachmittag mit ihren Kindern in den Einkaufszentren und in der Innenstadt unterwegs, um Besorgungen zu erledigen“, sagt Jehle. Bei einem derartigen Stau bleibe auch der Polizei nichts anderes übrig, als abzuwarten, bis dieser sich auflöst. Auch der Verkehrsrechner, der seit 2009 am Südring die Ampelphasen dem vorherrschenden Verkehrsaufkommen anpasst, musste am Montagnachmittag klein beigeben. „Wenn die Stauräume zu sind, hilft auch kein Verkehrsrechner mehr“, sagt Jehle.
Michael Schreckenberg ist Wissenschafter an der Universität Duisburg-Essen und der bekannteste Stauforscher Deutschlands. Nur wegen Verkehrsüberlastung würde er bei einem Stau nicht von der Autobahn abfahren. Bei einer einspurigen Sperre könne man es sich dagegen schon überlegen. Aber: „Auf die Idee einer Ausweichstrecke kommen andere auch. Und durch die Navigationsgeräte oder Handys gibt es da keinen Vorteil mehr. Gerade auf den Ausweichrouten kommt es dann schnell zu noch viel größeren Überlastungen.“ Allgemein rechnet der Experte, dass auch bei Staus auf Autobahnen eine Geschwindigkeit von 10 km/h erreicht wird. „Im nachgeordneten Straßennetz gibt es aber Infrastruktur wie Ampeln und Baustellen, die den Verkehr dort weniger flüssig machen.“ Sprich: Man ist wohl besser beraten, auf einer Autobahn zu bleiben, sofern es dort keine Vollsperre gibt.
Und eine weitere Problematik gibt es dazu sowohl in Deutschland als auch in Österreich: „Durch die unterschiedlichen Zuständigkeiten etwa von Städten und Autobahngesellschaften gibt es dort keine Abstimmung. In einem solchen Fall müsste man nämlich bei Ampeln eine Vorrangschaltung machen.“ Schreckenberg erklärt, dass oft auch die fehlende Geduld der Lenker zu Staus führt. Die Menschen würden glauben, dass hinter einem Navi „eine höhere Intelligenz“ stecke. In Wahrheit sei es dann so, dass man Lenker bestimmter Marken auf bestimmten Ausweichrouten wiederfindet, weil ihnen ihr Navi diesen Weg anzeigt.
Wer am Montag jedoch als Bahnpendler unterwegs war, der konnte das Geschehen auf den Straßen zwischen Innsbruck und Völs entspannt beobachten. „Hier hat sich gezeigt, dass die S-Bahn schon etwas für sich hat“, meint ÖBB-Pressesprecher Rene Zumtobel. Am Bahnhof Völs halten an einem Werktag über 100 Züge, die Inntal-S-Bahn verkehrt hier im Halbstundentakt. Die Fahrzeit der S-Bahn zwischen Völs und Innsbruck beträgt sieben Minuten.