Die USA und Russland und ein komplizierter Deal

Washington/Moskau (APA/dpa) - Die Frage musste kommen. Ob er den Russen traue, wollte ein Journalist von Jeffrey Harrigian wissen....

Washington/Moskau (APA/dpa) - Die Frage musste kommen. Ob er den Russen traue, wollte ein Journalist von Jeffrey Harrigian wissen.

Harrigian, bei der US-Luftwaffe verantwortlich für den Nahen Osten, hielt kurz inne. Russland und das syrische Regime müssten nun das Richtige tun, erklärte er schließlich. „Ich sage nicht, dass ich ihnen vertraue.“

Die Waffenruhe in Syrien ist erst wenige Tage alt, sie hält weitgehend, aber sie fußt auf einem wackeligen Fundament. Und die Regierung von US-Präsident Barack Obama sieht sich derweil mit der Frage konfrontiert, ob sie nicht allzu große Zugeständnisse an Russland gemacht hat.

Nach stundenlangen Verhandlungen hatte sich Außenminister John Kerry am vergangenen Freitag mit seinem russischen Kollegen Sergej Lawrow auf einen neuen Versuch geeinigt, die Gewalt in dem Bürgerkriegsland zu beenden.

Hält die Waffenruhe für sieben Tage, wollen die USA und Russland zusammenarbeiten, um Militärschläge gegen den Islamischen Staat (IS) und die Jihadisten von Fatah al-Sham (früher: Al-Nusra Front) vorzubereiten. Das soll über eine Koordinierungsstelle zur Umsetzung der Vereinbarungen geschehen, dem Joint Implementation Center (JIC).

Vor fast genau einem Jahr hatte Russland in den Bürgerkrieg eingegriffen und das Kräfteverhältnis wieder zugunsten des schwankenden Regimes von Bashar al-Assad verschoben. Die USA unterstützen Rebellengruppen, die sie als gemäßigt erachten.

Eine Zusammenarbeit beider Länder wäre ein Novum. Aus dem Pentagon kommen Vorbehalte gegen den Plan; zu groß ist das Misstrauen gegenüber dem Kreml. Verteidigungsminister Ash Carter warf Moskau noch in der vergangenen Woche vor, die Prinzipien der internationalen Ordnung untergraben zu wollen.

Für Russland, das auf Anerkennung als Weltmacht pocht, wäre das Bündnis mit der Supermacht USA ein Prestigeerfolg.

Die Vereinbarung offenbart das Ungleichgewicht der Kräfte. Putin habe Russland in eine Position versetzt, in der es jede von den USA angestrebte Lösung blockieren und das syrische Regime an der Macht halten könne, meint der Nahost-Experte Aaron David Miller vom Wilson Center in Washington.

„Obama braucht Putin, um noch irgendwie Hoffnung zu haben, die Lage in Syrien zu deeskalieren, bevor er aus dem Amt scheidet“, erklärt Miller. „Die seit einem Jahr andauernde russische Militärintervention und das nahende Ende seiner Präsidentschaft haben diese Auffassung wahrscheinlich verstärkt.“ Umgekehrt benutze Putin die amerikanische Seite, um seine globale Position zu verbessern und sich einen diplomatischen Deckmantel für russische Interessen zu schaffen.

Für Moskauer Medien war es ein Symbolbild: Pizza und Wodka brachte Russlands Außenminister Sergej Lawrow wartenden Journalisten in Genf. „Fast in Feierstimmung“ sei der sonst oft unterkühlt wirkende Lawrow bei den jüngsten Syrien-Gesprächen mit seinem US-Kollegen Kerry gewesen, meinte der Radiosender Echo Moskwy.

Moskau habe sich in wichtigen Fragen durchgesetzt, so interpretieren es russische Staatsmedien: Der vom Westen geforderte Abgang von Syriens Machthaber - und Russlands Partner - Assad sei derzeit kein Thema, und auf Wunsch des Kremls werde die Liste der Terrorgruppen im Bürgerkriegsland ausgeweitet.

Kerry sprach am Freitag lediglich von einem politischen Übergang; über Assads Abgang verlor er kein Wort.

Geschickt habe Russland mit Hinweis auf die humanitäre Katastrophe in Aleppo immer wieder Druck auf die internationale Gemeinschaft ausgeübt, einer politischen Lösung zuzustimmen, meinen Experten in Moskau. Verschwiegen habe der Kreml aber, dass das Riesenreich mit Luftangriffen erhebliche Mitschuld trage am Leid der Bevölkerung.

Es gehe Kremlchef Wladimir Putin auch darum, Obama zum Ende von dessen letzter Amtszeit keinen außenpolitischen Erfolg zu gönnen, meint der Moskauer Publizist Alexander Smolow. Grund sei zum einen das schlechte persönliche Verhältnis der beiden Politiker. Zudem wolle Putin den US-Demokraten keinen Trumpf zuspielen, weil er als nächsten Präsidenten lieber den Republikaner Donald Trump im Weißen Haus sehe, betont Smolow. Trump hatte sich mehrfach positiv über Putin geäußert.

„Russland hat mit seinem Eingreifen im Nahen Osten eine klare Botschaft an den Westen geschickt: Wir melden uns als politisch-militärische Weltmacht zurück und erwarten, als solche behandelt zu werden“, meint der Politologe Dmitri Trenin vom Carnegie Center in Moskau. Er sieht die Kooperation Moskaus mit Washington allerdings eher taktisch als strategisch. Auch in einer aktuellen Umfrage sagen nur 22 Prozent der Russen, die USA seien ein echter Partner im Kampf gegen den Terror.