Keimfreier Darm im Spital: Probiotikum anstatt Stuhltransplantation
Graz (APA) - Intensiver Einsatz von Antibiotika kann bei schwer kranken Menschen dazu führen, dass das Mikrobiom - die Keimflora im Menschen...
Graz (APA) - Intensiver Einsatz von Antibiotika kann bei schwer kranken Menschen dazu führen, dass das Mikrobiom - die Keimflora im Menschen - gestört wird. Gefährliche Keime können sich besser ausbreiten und beispielsweise schweren Durchfall hervorrufen - vor allem bei Intensivpatienten heikel. Grazer Forscher wollen nun ein Medikament aus lebenden Mikroorganismen entwickeln, das die Darmflora wieder aufbaut.
Bakterien eilt der Ruf als Krankheitserreger voraus. Doch sie gefährden nicht grundsätzlich unsere Gesundheit. Vielmehr sorgt ein ausgewogenes Mikrobiom - also die Gesamtheit der den Menschen besiedelnden Mikroorganismen - beim Menschen dafür, dass aggressive, krankmachende Erreger nicht ungehindert in den Körper eindringen können, erklärte Gregor Gorkiewicz, Professor für Mikrobiomforschung in der Humanmedizin an der Med-Uni Graz gegenüber der APA.
In Spitälern ist das menschliche Mikrobiom besonders herausgefordert: „Viele Bakterien des natürlichen Mikrobioms, wie zum Beispiel auf der Haut oder den Schleimhäuten, gehen auf der Intensivstation durch den Einsatz von Antibiotika einerseits, allgemeine Raumdesinfektionsmaßnahmen sowie das Fehlen einer normalen Ernährung verloren“, beschrieb Gorkiewicz. Besonders heikel wird die Situation, wenn multiresistente Keime auftreten. „Sie haben sich im Laufe der Zeit so verändert, dass gegen sie eine Vielzahl von Antibiotika bereits vielfach wirkungslos ist“, wie der Grazer Pathologe schilderte.
Der menschliche Dickdarm zählt laut Gorkiewicz wiederum zu den mikrobiell am dichtesten besiedelten Habitaten der Erde. Einige 100 bis vielleicht 1.000 verschiedene Bakterienspezies bilden die humane Darmflora. „Der Verlust einer funktionierenden Darmflora kann beispielsweise zu schweren choleraartigen Durchfällen führen“, sagte Gorkiewicz. Bei manchen Intensivpatienten wird dann die Stuhltransplantation, bei dem der gefilterte Stuhl von gesunden Spendern in den Patientendarm eingebracht wird - die letzte Option, wie der Grazer Mediziner schilderte. Hier setzt die Forschergruppe aus dem interuniversitären Grazer BioTechMed-Forschungsverbund an.
Die Forscher um Gorkiewicz und seine Kollegin Gabriele Berg vom Institut für Umweltbiotechnologie der TU Graz wollen ein Medikament entwickeln, dass den Wiederaufbau der Darmflora bewerkstelligen soll. Dabei greifen sie auf die Mikroorganismen, die bei der Stuhltransplantation hilfreich sind, zurück.
Der erste Schritt der Forscher ist es, mithilfe von DNA-Sequenzierung jene Mikrobenstämme zu identifizieren, die für die Wirksamkeit der Suhltransplantation maßgeblich verantwortlich sind. „Wir haben bereits eine ganze Reihe von Datensätzen im Analysestadium“, erzählte Gorkiewicz. Wenn die Mikroorganismen identifiziert sind, sollen sie in Graz in einem speziellen Labor weiterkultiviert werden und der „richtige Mix“ der lebenden Mikroorganismen erhoben werden. Dann könnten erste Versuche im Tiermodell erfolgen. „Das ganze erstreckt sich noch über Jahre“, so Gorkiewicz. Die Grazer Forscher kooperieren mit einer weiteren Gruppe aus Deutschland und einem Start-up-Unternehmen aus Boston.