CETA-Enquete - Kogler: „Vorläufige Anwendung stoppen“

Wien (APA) - Der Grüne Abgeordnete Werner Kogler appellierte in der parlamentarischen Enquete zu den Handelsabkommen CETA und TTIP an Bundes...

Wien (APA) - Der Grüne Abgeordnete Werner Kogler appellierte in der parlamentarischen Enquete zu den Handelsabkommen CETA und TTIP an Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ), die vorläufige Anwendung von CETA zu stoppen. Die vorläufige Anwendung sei die „Crux“, mit der das gesamte Abkommen in Kraft treten würde. „Österreich sollte die Unterzeichnung nicht leisten, dann steht dieser Prozess“, so Kogler.

Die österreichische Exportquote von 60 oder 70 Prozent zeige, dass es auch ohne diese Abkommen, „die sich mit dem Namen Freihandelsabkommen behübschen“, gehe, so Kogler. Es gehe bei den Abkommen auch nur wenig um Handel sondern hauptsächlich um Investitionen, Regulierungen, Deregulierungen und um Standardfragen. „Es ist völlig falsch, immer weiter an diesen Schrauben zu drehen“, so der Abgeordnete. Auch für Kogler stellen die in der Debatte bereits angesprochenen Verkehrskosten „die größte Kostenunwahrheit“ dar, neben der Landwirtschaft. Der Schiffs- und Flugverkehr aber auch der Lkw-Verkehr werde immer privilegiert, auch beim sogenannten Klimaschutz. „Das sind Brandbeschleuniger“, so Kogler.

Seiner Meinung nach droht durch CETA auch eine „Perforierung“ des Vorsorgeprinzips - in Kooperation mit der regulatorischen Kooperation, wo ein wissenschaftsbasierter Ansatz hochgehalten werden solle. Ähnliches drohe bei öffentlichen Dienstleistungen und Liberalisierungen. Der Investorenschutz sei unnotwendig und tendenziell schädlich und führe eine Zwei-Klassen-Justiz ein. Schadenersatzansprüche würden um ein vielfaches höher werden, der Gesetzgeber werde nicht mehr das tun, was er gerne tun wollte. Das sei die Tendenz im Abkommen.

Die USA führten die EU schon ohne TTIP am Gängelband, kritisierte der außen-und europapolitischer Sprecher der FPÖ, Johannes Hübner. Die USA hätten eine einzigartige Geschichte der „ökonomischen Erpressung für politische Ziele“,. Die EU sei schon öfter vor den US-Amerikanern in die Knie gegangen, etwa beim Passagierdatenaustausch oder den Sanktionen gegen Russland . Ein Kardinalfehler sei, dass Europa nichts zum Schutz seiner Macht habe. „Reformieren wir uns zuerst und schließen wir dann erst Abkommen ab“, meinte Hübner.

Für das Abkommen warb hingegen Wirtschaftsbund-Generalsekretär Peter Haubner. Für ihn geht es um die zentrale Frage, ob Österreich und die EU künftig „Leader oder Follower“ sind. „Wir wollen mitgestalten“, sagte Haubner. Österreich lebe von internationalen Handelsbeziehungen und bisher seien keine Standards gesenkt worden.

Der wirtschaftliche Aspekt sei bei den Abkommen „nicht sehr entscheidend“, so wiederum die Einschätzung von SPÖ-Klubobmann Andreas Schieder. Der Investorenschutz sei „suboptimal“ und viele Fragen seien dazu noch offen. Mit dem Schutz der Daseinsvorsorge mittels Negativlisten befinde man sich auf „ganz dünnem Eis“. Man müsse sich die Frage stellen, was Österreich und Europa ohne diese Abkommen verlieren würde. Die Handelsbeziehungen würden bestehen bleiben, allerdings würde man sich die Risiken ersparen, die mit CETA und TTIP einhergehen. Schieder bezweifelt eine Mehrheit im Parlament. Ein gemeinsamer Investitionspakt mit den USA zum Thema Klimawandel wäre viel wichtiger.

„Ich stelle diese Art von Abkommen grundsätzlich in Frage“, meinte der Vorsitzende der Gewerkschaft der Privatangestellten, Druck, Journalismus, Papier (GPA-djp), Wolfgang Katzian. Von den Handelsabkommen würde nur eine kleine Minderheit profitieren, die Arbeitnehmer dagegen nicht, dazu seien die Wachstumseffekte zu niedrig. Bei CETA gehe es zudem mehr um eine politische Frage als um ein Handelsabkommen und es sei natürlich eine Blaupause für TTIP und andere Abkommen.

Weitere Redner betonten, dass es neue Wege der internationalen Zusammenarbeit brauche, weltweite Wirtschaftsabkommen zur Förderung von Investitionen und internationale Abkommen. Andere warnten davor, dass Europa nicht der Nabel der Welt sei und andere Länder wie die USA, Russland oder China gerade dabei seien, Abkommen zu verhandeln. Die Globalisierung können nicht aufgehalten werden. CETA sei hervorragend verhandelt, man brauche ein Abkommen zur Sicherung der Arbeitsplätze, so etwa die ÖVP-Abgeordnete Andrea Winzig.

Ein Vertreter des Städtebundes betonte die Wichtigkeit des Schutzes der Daseinsvorsorgesysteme, und stellte die Frage, warum diesbezüglich im CETA-Abkommen ein neuer Begriff verwendet wird, der im EU-Recht nicht verwendet werde. Da gehöre nachgebessert. Ein KMU-Vertreter befürchtete, dass sich die Rahmenbedingungen für KMU durch die Abkommen noch weiter verschlechtern werden. „Die Pro-Argumente sind extrem schwach“.

Der Grüne Landwirtschaftssprecher Wolfgang Pirklhuber kann in den Abkommen keine Lösung für anstehende Probleme erkennen. Die Schiedsgerichte seien eine Hintertür zur Ausschließung der Gerichtsbarkeit, das Vorsorgeprinzip soll ausgehebelt werden und ein Einfallstor für die US-Gentechnikgesellschaften geschaffen werden. Pirklhuber forderte die Einklagbarkeit für Umwelt- und Sozialstandards.

„CETA darf nicht zugestimmt werden“, forderte Heidemarie Porstner von Global 2000. Sie geht davon aus, dass das Vorsorgeprinzip „nur allzu leicht ausgehebelt werden kann“. Kleine landwirtschaftliche Betriebe würden stark unter Druck geraten, wie auch Umwelt- und Sozialstandards.

SPÖ-Wirtschaftssprecher Christoph Matznetter wies darauf hin, dass in den USA noch immer nicht wie vereinbart das metrische System oder ISO-Normen angewendet werde. Anstatt der Schiedsgerichte solle auf WTO-Ebene eine Gerichtsbarkeit errichtet werden. SPÖ-Europaabgeordnete Karoline Graswander-Hainz verlangte eine Überprüfung der Schiedsgerichte durch den Europäischen Gerichtshof (EuGH), ob dieser kompatibel mit europäischem Recht sei. Statt auf Geschwindigkeit sollte mehr auf Qualität gesetzt werden.

SPÖ-Bundesrat Stefan Schennach sieht in den Schiedsgerichten eine neue „Wertpapieranlage“ mit hohen Renditen. Erst jüngst sei eine 3 Mrd.-Euro schwere Anleihe auf Schiedsgerichtsverfahren aufgelegt worden. Das sei eine „neue Abzocke“. Politik, Regierung und Parlamente würden durch die Abkommen entmündigt.

Die wenigsten KMUs würden von den Abkommen profitieren, kritisierte Alexander Stricker von Attac Österreich, die wenigsten würden überhaupt in die USA oder nach Kanada exportieren. 80 Prozent des Handels finde in Europa statt. „Wir brauchen zukunftsfähige Abkommen, wo die Menschen im Mittelpunkt stehen“, forderte Stricker.