Parlamente bei EU-Abkommen nur teilweise eingebunden
Laut EU-Recht sei eine unmittelbare Einbindung nationaler Parlamente bei Unterzeichnung, vorläufiger Anwendung oder Abschluss eines völkerrechtlichen Abkommens nicht vorgesehen.
Wien – Das Handelsabkommen CETA zwischen der EU und Kanada sei von der EU-Kommission als gemischtes Abkommen vorgeschlagen worden und sei somit von EU- und Mitgliedsstaaten zu unterzeichnen und zu ratifizieren. Eine Verpflichtung zur Mitwirkung der nationalen Parlamente sei davon aber nicht abzuleiten, so Gerlinde Wagner vom Rechts-, Legislativ- und Wissenschaftlichen Dienst des Parlamentes.
Die Ratifizierung sei ein souveräner Akt jedes einzelnen Mitgliedsstaates, das Ausbleiben dieser Ratifizierung könnte das Inkrafttreten eines gemischten Abkommens verhindern, führte Wagner am Mittwoch bei der parlamentarischen Enquete zu CETA und TTIP aus.
Bindende Stellungnahmen sind möglich
Laut EU-Recht sei eine unmittelbare Einbindung nationaler Parlamente bei Unterzeichnung, vorläufiger Anwendung oder Abschluss eines völkerrechtlichen Abkommens nicht vorgesehen. Die Information der Parlamente erfolge über die jeweiligen Regierungen, erläuterte sie. In Österreich könnten Nationalrat und Bundesrat Stellung nehmen, was auch bereits geschehen sei. Dies sei ein starkes Mitwirkungsrecht gegenüber der Regierung bei einstimmigen Beschlüssen auf EU-Ebene. Auch bindende Stellungnahmen seien möglich. Diese könnten sogar ein Veto bewirken. Eine vorläufige Anwendung eines Abkommens sei immer nur dann möglich, wenn dies auch innerstaatlich so vorgesehen sei.
Auf EU-Ebene gebe es also keine unmittelbare Mitwirkungsrechte der nationalen Parlamente, allerdings sei der Nationalrat und Bundesrat laufend über alle Vorhaben und Verhandlungsschritte zu informieren. Nationalrat und Bundesrat können mitunter eine bindende Stellungnahmen an ein Regierungsmitglied beschließen.
„Geringe ökonomischen Wachstumseffekte“
Werner Raza von der Österreichischen Forschungsstiftung für Internationale Entwicklung (ÖFSE) kritisierte in seinem Debattenbeitrag, dass in den beiden Handelsabkommen geringen ökonomischen Wachstumseffekten zum Teil negative Verteilungseffekte und hohe ökologische Kosten gegenüber stehen. Gegen die negativen Verteilungseffekt müsste gegengesteuert werden, dazu dürften aber die Mittel des 750 Mio. Euro schweren EU-Globalisierungsfonds nicht ausreichen. Es brauche mehr Instrumente.
Der ökologische Effekt werde in der Diskussion viel zu wenig diskutiert, betonte Raza. Die starke Ausweitung des internationalen Handels und Flug- und Schiffverkehrs habe auch die Emissionen in diesen Bereichen stark erhöht. Die ökologische Kosten des Handels müssten stärke berücksichtigt und internalisiert werden, zum Beispiel durch Besteuerung des Flugverkehrs und anderes mehr. Die neue Generation von EU-Handelsabkommen wäre aus seiner Sicht eine Chance, einen neuen Standard für nachhaltige Handelspolitik zu setzen. In diesem Sinne gebe es noch Anpassungsbedarf.
EU-Handelskommissarin preist Vorzüge des Abkommens
Das Handelsabkommen CETA mit Kanada sei das beste Abkommen, das die EU jemals ausverhandelt habe und die österreichischen Unternehmen könnten nur profitieren davon, betonte EU-Kommissarin Cecilia Malmström am Mittwoch bei der parlamentarischen Enquete zu diesem Thema. Bis das Abkommen nach Zustimmung durch das Europäische Parlament endgültig in Kraft treten kann, könnte es noch vier Jahre dauern.
In den meisten EU-Mitgliedsländern gebe es kein Problem damit, mit einem der demokratischsten Länder der Welt ein Abkommen abzuschließen. „Kanada ist kein böses Land“, sagte Malmström vor den zahlreichen anwesenden Teilnehmern der heutigen öffentlichen Diskussion. Jetzt könne das Abkommen nicht mehr geöffnet werden. Nunmehr liege es an den Mitgliedsländern, eine Entscheidung zu treffen. Klarstellungen, um die Bürger zu beruhigen, seien aber noch möglich.
„EU nicht wegen der Handelsabkommen in der Krise“
Zwar werde der Handel ohne CETA nicht abnehmen, aber es gebe die Möglichkeit, 400 Mio. Euro pro Jahr an Zöllen zu eliminieren und Zugang zum 30 Mrd. Euro schweren kanadischen Beschaffungsmarkt zu bekommen. „Warum dazu nein sagen?“ so Malmström, „warum sich gegen alle Vorteile wehren“.
Die EU sei in der Krise, aber nicht wegen der Handelsabkommen. Malmström hofft, dass die Abgeordneten auch das „Ein bisschen größere Bild“ sehen. So wolle die EU etwa auch mit Mexiko und Japan Handelsabkommen schließen. „Werden diese Länder sich auf uns einlassen, wenn sie sehen, wir können das hier nicht schaffen?“ so Malmström.
Das Abkommen liege nun auf dem Tisch, jetzt müsse Europa eine Entscheidung treffen. Die Gespräche seien aber noch nicht zu Ende. Bereits in der kommenden Woche werde es beim Handelsministerrat in Bratislava weitere Diskussionen geben, bei denen auch die kanadische Handelsministerin Cynthia Freeland anwesend sein werde.
Vorläufige Anwendung verlangt qualifizierte Mehrheit
Zur weiteren Vorgangsweise merkte Malmström auf Nachfrage der Abgeordneten an, dass das von der Kommission als gemischtes Abkommen vorgeschlagene Handelsabkommen nur in Kraft treten könne, wenn es von allen nationalen Parlamenten ratifiziert worden sei. Die vorläufige Anwendung des EU-Teiles erfordere eine qualifizierte Mehrheit, das Inkrafttreten des Mitglieder-Teiles Einstimmigkeit. Das was vorläufig angewendet werden solle, werde noch diskutiert. Der Investitonsgerichtshof werde wahrscheinlich außerhalb der vorläufigen Anwendung bleiben.
Über das Abkommen könne also nicht vorher unterschrieben werden, bevor sich die Mitgliedsländer dazu entschieden hätten, das Abkommen zu ratifizieren, und auch nur dann, wenn auch das Europäische Parlament dazu ja gesagt habe. Danach komme das Abkommen zur Ratifizierung in alle nationalen Parlamente. Dieser Prozess könnte vielleicht vier Jahre dauern. (APA, TT.com)