Glawischnig: “Wollen Blau-Schwarz verhindern“
Grünen-Chefin Eva Glawischnig übt scharfe Kritik an Innenminister Sobotka. Die Frage nach politischen Konsequenzen will sie aber erst nach der Bundespräsidentenwahl stellen.
Ist Wolfgang Sobotka als Innenminister noch tragbar?
Glawischnig:
Ich war, wie viele Bürgerinnen und Bürger, sprachlos über die Verschiebung der Bundespräsidentenwahl. Den Sommer hindurch hat sich der Innenminister nahezu wöchentlich mit neuen Forderungen im Umgang mit Flüchtlingen zu Wort gemeldet, aber die Stichwahl wurde offensichtlich schlecht vorbereitet. Jetzt ist nicht der richtige Zeitpunkt, doch nach den Wahlen werden wir schon einige Fragen stellen müssen. Vor allem wegen seiner Vorgangsweise rund um die Notverordnung ist Sobotka zu kritisieren.
Worauf zielt Ihre Kritik ab?
Glawischnig:
Mir tut es im Herzen weh, wenn man jetzt wegen 14.000 Flüchtlingskindern einen Notstand des Schulsystems konstruieren will. Diese Kinder haben in den vergangenen Monaten viel geleistet. Die Schule ist für sie ein sehr wichtiger Ort, wo sie wieder zu sich finden können. Wenn es in den Schulen einen Notstand gibt, dann wegen Reformunfähigkeit der Regierungsparteien.
Bleiben wir jetzt noch einmal bei den nicht klebenden Wahlkarten und ihren Folgen. Eine Woche lang versuchten Minister und Ministerium einen Eiertanz. Sie wollen die Fragen zu den politischen Konsequenzen aber erst nach der Wahl stellen.
Glawischnig:
Weil ich glaube, dass es den Bürgern jetzt einmal darum geht, dass diese Wahl reibungslos über die Bühne geht. Sie haben schon Recht: Der Umgang Sobotkas, was die intransparente und widersprüchliche Kommunikation der Klebstoffkrise betrifft, ist das Problem, eine technische Panne kann allemal passieren.
In Deutschland hätte der Innenminister wohl den Hut nehmen müssen?
Glawischnig: Nicht nur in Deutschland. Aber es ist wirklich eine heikle Situation, denn die Wahl muss jetzt zu einem Abschluss kommen.
Rechnen Sie damit, dass heuer die Notstandsverordnung umgesetzt wird?
Glawischnig:
Das wage ich nicht zu beantworten. Aber ich bin davon überzeugt, dass Grenzzäune hochziehen keine Lösung ist. Was passiert mit den Menschen an der Grenze? Ich würde mir doch wünschen, dass man die Energie wieder hin zu einer europäischen Lösung lenkt. Wenn die EU nicht fähig ist, hier eine gemeinsame Lösung zu finden, dann droht das Scheitern des Projekts. Ich blicke voll Unbehagen auf die Wahlen nächstes Jahr in Frankreich, wo die Rechtsextremistin Le Pen mit ihrem Drohszenario ?Frexit' in den Wahlkampf geht. Es braucht alle Anstrengung, damit jene Kräfte, die Europa zerstören wollen, nicht die Oberhand bekommen. Mir ist es aber zu wenig, die EU nur mit Stabilität und Frieden zu rechtfertigen. Ich will, dass die EU einen praktischen Nutzen für all ihre Bewohner hat. Da gibt es viel zu verbessern.
In der Bundesregierung herrscht Eiszeit. Stellen Sie sich auf Neuwahlen ein?
Glawischnig:
Für die ÖVP ist man schon ein Marxist, wenn man in Europa mehr Investitionen fordert.
Der jüngste Ideologiestreit zwischen SPÖ und ÖVP ist wohl als Vorwahlkampf zu deuten. Werden Sie die Grünen erneut in die Wahl führen und ist es Ihr letztes Antreten als Oppositionspolitikerin bei einer Nationalratswahl?
Glawischnig:
Das weiß ich noch nicht. Klar ist, dass ich mit großer Leidenschaft wahlkämpfen werde. Wir werden als Grüne unseren Beitrag leisten, damit die FPÖ keine Regierungspartei wird. Man muss es immer wieder sagen: Wo sie regiert haben, also in Kärnten, haben sie dieses schöne Land auf Jahre kaputtgemacht. Schwarz-Blau im Bund war auch ein Desaster.
Das heißt also, dass Sie eine Dreierkoalition anstreben?
Glawischnig:
Wir wissen noch nicht, ob es eine neue Liste oder Partei geben wird, wir wissen nicht, ob alle Nationalratsparteien wieder im Parlament vertreten sein werden. Aber ja, wir wollen Blau-Schwarz verhindern. Jetzt konzentrieren wir uns aber auf die Unterstützung von Alexander Van der Bellen, damit er am 4. Dezember mit größerem Abstand wiedergewählt wird.
Zum Schluss eine Frage zu Tirol. Die Staatsanwaltschaft hat gegen Ihre Parteifreundin LHStv. Ingrid Felipe Ermittlungen wegen Amtsmissbrauchs eingeleitet. Sollte es zu einer Anklage kommen, erwarten Sie sich dann ihren Rücktritt?
Glawischnig:
Wir sind noch weit von einer Anklage entfernt. Da will ich jetzt nicht vorgreifen, damit kein falscher Eindruck entsteht.
Das Gespräch führte Michael Sprenger