Tourismus in Griechenland boomt, Arbeitslosigkeit geht zurück
Der Fremdenverkehr macht ein Viertel des griechischen BIPs aus. Trotz Rückganges ist immer noch über eine Million Griechen ohne Job.
Athen – Der boomende Tourismus sorgt zurzeit für Zehntausende neue Arbeitsplätze in Griechenland. Von den heuer gut 250.000 neu geschaffenen Arbeitsplätzen in dem von der Finanzkrise schwer betroffenen Land seien mehr als 210.000 (82,8 Prozent) im Bereich Fremdenverkehr entstanden, berichtete am Donnerstag die konservative Athener Zeitung „Kathimerini“ unter Berufung auf den Tourismusverband (Sete).
2015 waren rund 26 Millionen Touristen nach Griechenland gereist, im laufenden Jahr rechnet der Verband mit einem Plus von sechs Prozent. Von Jänner bis August 2016 seien 753.000 Touristen mehr als im gleichen Zeitraum im Vorjahr angekommen. Der Tourismus und die mit ihm verbundenen Unternehmen machen mittlerweile ein Viertel des Bruttoinlandproduktes (BIP) Griechenlands aus, hieß es im Bericht weiter.
Inseln im Osten der Ägäis als Verlierer
Gewinner seien vor allem Kreta (plus 10,7 Prozent), die Kykladeninseln wie Mykonos oder Naxos (plus 11,0 Prozent) sowie die Inseln im Ionischen Meer (plus 10,6 Prozent), zu denen zum Beispiel Korfu gehört.
Dagegen ging wegen der Flüchtlingskrise die Zahl der Touristen, die zu den Inseln im Osten der Ägäis fuhren, stark zurück. Die wichtigsten dieser Inseln, Kos und Samos, registrierten ein Minus von 15 Prozent und 26 Prozent. Auf Lesbos sei die Lage dramatisch: Dieses Jahr kamen bisher 60 Prozent weniger Touristen als 2015.
Über eine Million Griechen ohne Job
Die Arbeitslosenquote in Griechenland geht langsam aber stetig zurück. Sie sank im zweiten Quartal auf 23,1 Prozent, wie das Statistikamt in Athen am Donnerstag mitteilte. Zu Jahresbeginn waren es noch 24,9 Prozent. 1,11 Millionen Griechen sind allerdings nach wie vor ohne Job - fast drei Viertel davon länger als ein Jahr. Besonders hoch ist die Arbeitslosigkeit zudem weiterhin bei Jugendlichen bis 24 Jahren. Nahezu jeder zweite Jugendliche findet keine Beschäftigung.
Die Lage am griechischen Jobmarkt bleibt nach Einschätzung der EU-Kommission prekär. Sie sagt dem wirtschaftlich angeschlagenen Land nur eine leichte Abnahme der Arbeitslosigkeit voraus. Die Quote soll im Jahresschnitt bei 24,7 Prozent liegen und 2017 auf 23,6 Prozent fallen. Grund ist die schwache Konjunktur. In diesem Jahr soll das Bruttoinlandsprodukt schrumpfen und erst 2017 wieder wachsen.
Griechenland sträubt sich gegen IWF-Reformforderungen
Trotz aller vorsichtig optimistischen Vorraussagen droht zwischen Griechenland und seinen Geldgebern neuer Streit. Arbeitsminister George Katrougalos sagte Reuters am Mittwoch, die vom Internationalen Währungsfonds (IWF) geforderten Arbeitsmarktreformen könnten so nicht umgesetzt werden. Sie seien ein Eingriff in die Tariffreiheit der Sozialpartner, die es zu bewahren gelte.
Katrougalos äußerte sich kurz vor Gesprächen mit Vertretern der Financiers in Athen. Der IWF hat die Forderung zur Bedingung für seine Beteiligung am dritten Hilfsprogramm gemacht. IWF und EU drängen darauf, dass der als verkrustet geltende Arbeitsmarkt aufgebrochen wird, da er ihnen als Wettbewerbshindernis für das schuldengeplagte Ägäisland gilt.
Die Euro-Finanzminister haben sich Ende Mai grundsätzlich auf die Auszahlung der Gelder aus dem jüngsten, 86 Mrd. Euro schweren Hilfspaket für Griechenland geeinigt. Mitte Juni wurde die Überweisung einer Tranche in Höhe von 7,5 Milliarden Euro auf den Weg gebracht. Die zweite Tranche von 2,8 Mrd. Euro soll im Herbst fließen, wenn Athen weitere Reformen umgesetzt hat.
EU erhöht Reformdruck
Für Griechenland wird die Zeit aber knapp, die ursprünglich bis Mitte September versprochene Reformen umzusetzen. EU-Währungskommissar Pierre Moscovici bezeichnete es nach einem Treffen der Finanzminister der Euroländer in Bratislava als „wünschenswert“, dass Griechenland die angekündigten Maßnahmen bis Ende September umsetzt.
Die fristgerechte Erfüllung aller Forderungen sei noch möglich, versicherte der EU-Kommissar. 15 Maßnahmen seien vereinbart, nur zwei vollständig erfüllt. Das heiße aber nicht, dass Griechenland bei den anderen nicht mehr „im Plan“ sei. Man habe zwar inzwischen viel Zeit verloren, aber zuletzt habe man wieder mehr Energie in das Thema gesteckt.
„Der Druck ist wieder da“
Auch Jeroen Dijsselbloem, Chef der Eurogruppe, bedauerte, dass zuletzt in dieser Frage zu wenig Fortschritte erzielt wurden. Zwar seien die Fristen am Anfang, im Sommer des vorigen Jahres, zu knapp gesetzt worden. Inzwischen sei man aber mehr verspätet als nötig. Insbesondere im Sommer sei zu wenig passiert. „Jetzt ist es Zeit, die Camping-Sachen zusammenzupacken und an die Arbeit zu gehen“, so Dijsselbloem vor Journalisten.
Der griechische Finanzminister Euklid Tsakalotos habe bei dem heutigen Treffen zugesagt, dass die entsprechenden Schritte bis Ende des Monats vollzogen würden. In der kommenden Woche sollten zudem Vertreter von EU und IWF zu weiteren Gesprächen nach Athen reisen.
Bei den Reformen geht es insbesondere um Privatisierungen, den Energiemarkt und eine unabhängige Behörde zur Überwachung der Staatseinnahmen. Ein Knackpunkt ist die personelle Besetzung des Aufsichtsrats des griechischen Privatisierungsfonds. (APA, dpa, TT.com)