Serbiens EU-Annäherung birgt Chancen für Austro-Wirtschaft
Wien (APA) - Österreichische Exporteure zieht es immer stärker gen Osten, dabei bieten auch nahegelegene Länder Wachstumschancen, sagt der l...
Wien (APA) - Österreichische Exporteure zieht es immer stärker gen Osten, dabei bieten auch nahegelegene Länder Wachstumschancen, sagt der langjährige österreichische Wirtschaftsdelegierte in Serbien, Andreas Haidenthaler. Die Serben hätten ein extrem positives Bild von Österreich, ein Boommarkt ist das Land aber nicht. Der Reformbedarf ist groß.
Serbien sei wirtschaftlich sehr eng mit der EU verflochten, größter Investor im Land sei Österreich. Im österreichischen Außenhandel spielt Serbien aber keine so große Rolle, wie die Zahlen der Wirtschaftskammer (WKÖ) zeigen. Im ersten Halbjahr 2016 beliefen sich die heimischen Exporte nach Serbien auf 306 Mio. Euro, die Importe auf 196 Mio. Euro. Damit lag Serbien an 30. Stelle der wichtigen Handelspartner und abgeschlagen hinter anderen Ländern in der Region. Die Ausfuhren nach Slowenien betrugen beispielsweises 1,3 Mrd. Euro, jene nach Kroatien 658 Mio. Euro.
Serbien sei aber am Wachsen, zumal am Weg in die EU kein Weg vorbeiführe, sagt Haidenthaler. Ob es im Jahr 2020 so weit sein wird, wie es der kürzlich wiedergewählte europafreundliche konservative Ministerpräsident Aleksandar Vucic intern kommuniziere, spiele keine so große Rolle. Den Wirtschaftstreibenden gehe es um die Richtung.
Dass Vucic im April 2016 vorgezogene Neuwahlen vom Zaun gebrochen hat, hat laut Haidenthaler mit der Wirtschaft tun. Serbien brauche dringend Strukturreformen, etwa bei der Bürokratie und was den aufgeblähten Staatssektor betrifft. Derlei Maßnahmen seien unpopulär, Politiker könnten sie nur am Anfang einer Amtsperiode angehen. „Jetzt hat er wieder vier Jahre Zeit“, so Haidenthaler. Am Ende werde Vucic daran gemessen werden, wie er das Land wirtschaftlich vorangebracht hat. Da er eine große Mehrheit habe, werde er keine Ausreden haben.
Puncto Reformen gibt es in Serbien noch einiges zu tun. Neben der notwendigen Privatisierung von Staatsfirmen etwa im Energiebereich müsse das Land dringend in Infrastruktur investieren. In der Hauptstadt Belgrad gebe es keine Kläranlage, die Abwässer fließen in die Donau oder Save. „Mit dem Thema Umwelttechnik kann man sich in Serbien noch Jahre und Jahrzehnte beschäftigen“, so Haidenthaler.
Ähnlich im Bereich erneuerbare Energien. Vor kurzem sei „endlich“ eine Vereinbarung für die Einspeisung von Strom aus alternativen Quellen ins serbische Netz getroffen worden. „Damit öffnen sich viele Türen. In Serbien sind Wind, Solarkraft und Kleinwasserkraft interessant“, sagte Haidenthaler am Donnerstag vor Journalisten in Wien. Theoretisch könnten in dem Land an mehreren hundert Standorten Kleinwasserkraftwerke errichtet werden.
Für österreichische Firmen sei Serbien auch deshalb interessant, weil Österreich ein irrsinnig positives Image in dem Land habe. Als Raiffeisen vor Jahren die ersten Filialen in dem Balkanland eröffnete, seien die Menschen Schlange gestanden, um ihr Geld bei der Austro-Bank anzulegen, erzählt Haidenthaler. Ein heimischer Bäcker habe erfolgreich Roggenbrot unter die Serben gebracht, die OMV betreibe zig Tankstellen in dem Land. Insgesamt sind rund 500 österreichische Firmen in Serbien tätig.
Serbien sei nicht nur für Großkonzerne interessant, sondern auch für Klein- und Mittelbetriebe, so der bisherige Handelsdelegierte. Im Gegensatz zu China „müssen Sie in Serbien niemandem erklären, dass Österreich nicht das Land mit den Kängurus ist“. Die Serben kennen Österreich und österreichische Firmen, zumal viele Serben in Österreich leben. „Bei circa sieben Millionen Einwohnern gibt es drei bis vier Millionen Auslandsserben“, so Haidenthaler. Letztere sind es auch, die die serbische Wirtschaftsleistungen mit ihren Geldsendungen in die Heimat ordentlich ankurbeln.
Das Durchschnittseinkommen der Serben beträgt umgerechnet nur 400 bis 500 Euro im Monat. „Das ist die offizielle Zahl“, schränkt Haidenthaler ein. Viele Menschen hätten einen Nebenjob, bekämen Geld von Verwandten aus dem Ausland oder versteuerten nicht ihr ganzes Gehalt. Und: Die meisten Serben zahlen keine Miete, weil sie in Eigentum wohnen. Nach dem Fall des Kommunismus konnten die Menschen ihre staatlich zugewiesenen Wohnungen günstig erwerben, was die meisten getan haben.
Was das heikle Thema Kosovo betrifft, ist Haidenthaler entspannt. „Im Kosovo wohnen zu 90 Prozent Albaner, nur fünf Prozent sind Serben.“ Der Durchschnittsserbe habe mit dem Kosovo keine direkten Beziehungen, er spiele aber in der kollektiven Erinnerung der Serben eine emotionale Rolle. Aus der Sicht Haidenthalers ist der Kosovo mittlerweile „kein Thema mehr, mit dem man Wahlen gewinnen kann.“
Eine hauptsächlich emotionale Sache sei auch das Engagement Russlands in Serbien, denn die Investitionen Russlands in dem Land seien „nicht ansatzweise“ mit den europäischen vergleichbar. Serbien importiere lediglich Gas und Öl aus Russland. „Aber Russland bedient gerne die emotionale Seite, unterstützt etwa den serbischen Standpunkt in der Kosovofrage oder organisiert Kunstflugstaffeln bei Militärparaden. Das spiegelt den Wunsch der Serben wider, dass es schön wäre, wenn man einen Bruder im slawisch-orthodoxen Geist hätte.“