Reitshammer wandert aus: Keine Halle, keine Träume
Tirols erfolgreichster Schwimmer Bernhard Reitshammer verlässt Innsbruck wegen der fehlenden 50-m-Halle und folgt damit einer negativen Tradition.
Von Sabine Hochschwarzer
Innsbruck – Die Stimmung schwankt wie Wellen. Einerseits freut sich Bernhard Reitshammer, andererseits steht ihm das Wasser in den Augen. In drei Tagen wird der Absamer nach Linz übersiedeln. „Wenn ich daheim Streit hätte oder es Probleme beim Training gäbe, würde es mir leichter fallen“, bedauert er. Alles laufe perfekt. Das Einzige, was dem mit vier Goldmedaillen besten Tiroler der diesjährigen Staatsmeisterschaften fehlt: „Eine 50-m-Halle.“ Schweren Herzens hätte er deshalb die Entscheidung getroffen, die Heimat zu verlassen: „Ich bin jetzt 22 Jahre alt, Olympia steht wieder in vier Jahren an. Ich will jetzt einfach wissen, was möglich ist und nicht irgendwann damit hadern, nicht alles probiert zu haben“, sagt der Landesrekordhalter über die Rücken-, Brust- und Lagenstrecken. Seine Ziele: Qualifikation für eine Langbahn-EM und Tokio 2020.
Reitshammer ist nicht der erste Tiroler, der davonschwimmt. Olympiastarterin Lena Kreundl zog es 2012 von Wörgl zum ASV Linz, EM-Starterin Caroline Hechenbichler aus Söll folgte vor zwei Jahren. Die Osttirolerin Christina Nothdurfter, ebenfalls EM-erprobt, wechselte nach Graz, Susanne Pawlik einst nach Salzburg. Und mit Schulbeginn wechselte heuer auch Xaver Gschwentner von Innsbruck in die Südstadt nahe Mödling, ins Bundesleistungszentrum. Alle wanderten aus, um das ganze Jahr über auf einer 50er-Bahn trainieren zu können. „Im Freibad ist die Saison zu kurz und bei Schlechtwetterphasen müssen wir auch in die Halle auf die kurze Bahn ausweichen“, erklärt TWV-Trainer Wolf Grünzweig.
Warum eine 50er-Bahn so entscheidend ist? Zum einen werden die wichtigsten Wettkämpfe, wie auch Olympische Spiele, nur in solchen Becken ausgetragen, zum anderen ist die Umstellung von der 25-m- auf die Langbahn enorm. „Daran muss sich der Körper erst gewöhnen. Umgekehrt ist der Umstieg einfacher“, beschreibt Reitshammer. So schwamm er Ende des Vorjahres zwar das Limit für die Kurzbahn-EM, für jenes auf der 50-m-Bahn fehlten ihm allerdings über 200 m Rücken ganze zwei Sekunden. „Es kann nicht sein, dass unsere größten Talente laufend das Land verlassen müssen, um ihre Träume und Ziele zu verwirklichen“, meint sein Trainer Grünzweig.
Der Auszug des derzeit erfolgreichsten Tirolers stimmt den heimischen Schwimmsport traurig. „Ich freue mich für Bernhard, bin aber als Schwimmwart niedergeschlagen. Er wird als Vorbild fehlen“, sagt Dieter Sofka vom Landesverband LSVT. Reitshammers Coach Grünzweig stimmt mit ein: „Es wurde viel Energie, Liebe, Engagement und auch Geld, auch durch Förderungen von Stadt und Land, in den Aufbau eines großen Talents investiert. Jetzt geht der fast fertig geschliffene Diamant verloren.“
Weil das Training in Linz eine oberösterreichische Verbandszugehörigkeit erfordert, muss Reitshammer auch den TWV Innsbruck hinter sich lassen. „Damit ist leider unsere Rekordstaffel Geschichte“, trauert Reitshammer. Fehlen werden ihm vor allem die Kollegen wie Andreas Senn, Alexander Knabl oder Florian Zimmermann. Als Geheimnis ihres Erfolges hatten alle immer wieder den Teamgeist genannt. Zumindest als Student und Trainingsbesucher bleibt der 22-Jährige Innsbruck treu. Reitshammer: „Ich hoffe, dass ich in Linz nicht mehr grüble und die Freude dann doch überwiegt.“
Kommentar: Lieber Nein, als nie Ja
Von Sabine Hochschwarzer
Es gibt Schlagzeilen, die wiederholen sich. „Tiroler Verband schwimmen die Talente davon“, titelte die TT 2014. Für den Abgang von Bernhard Reitshammer passt sie erneut. Nun wandert allerdings einer aus, der über die Auszeichnung „Talent“ hinausgewachsen ist. Der 22-Jährige ist derzeit Tirols Erfolgreichster. Lange hatte er gehofft, dass das Projekt einer 50-m-Halle verwirklicht wird, jetzt schwimmt ihm die Zeit davon. Nach den Planungen über Jahrzehnte hinweg ist die Zeit endlich reif für eine Entscheidung. Längst wäre nämlich mit einem ehrlichen „Nein“ zum rund 30 Millionen-Euro-Bau, den Stadt, Land und Bund angaben, teilen zu wollen, mehr geholfen als mit dieser Hinhalte-Taktik. So wäre Talenten klar, dass sie davonschwimmen müssen oder gar nicht ernsthaft anzufangen brauchen – unter dem Titel: „Tirol geht baden“.