Erler: Parlamentswahlen in Russland keine Gefahr für das System

Moskau/Berlin (APA/AFP) - Vor den russischen Parlamentswahlen am Sonntag hat Moskau nach Ansicht des Russlandbeauftragten der deutschen Bund...

Moskau/Berlin (APA/AFP) - Vor den russischen Parlamentswahlen am Sonntag hat Moskau nach Ansicht des Russlandbeauftragten der deutschen Bundesregierung, Gernot Erler (SPD), alles daran gesetzt, ein Szenario wie nach den Wahlen 2011 zu vermeiden. Moskau wolle nach den Wahlfälschungen und den anschließenden Massenprotesten vor fünf Jahren diesmal „sichtbar einen möglichst guten Eindruck“ machen.

Daher habe Moskau nicht nur die ehemalige Menschenrechtsbeauftragte Ella Pamfilowa an die Spitze der zentralen Wahlkommission gesetzt, sagte Erler am Dienstag der Nachrichtenagentur AFP. Auch seien dieses Mal deutlich mehr Parteien zugelassen worden.

Dennoch geht Erler davon aus, dass letztendlich wieder nur die vier großen Parteien, darunter die „Systemopposition“, den Sprung in die sogenannte Staatsduma schaffen und echte Oppositionsparteien wie Jabloko oder Parnas keine Chancen haben.

Die Partei Einiges Russland von Präsident Wladimir Putin, der selbst eine Zustimmungsquote von um die 80 Prozent hat, dürfte wieder deutlich stärkste Kraft werden. „Es besteht keine Gefahr für das System“, sagte Erler.

Soziale und ökonomische Probleme in der Bevölkerung hätten allerdings eine „gewisse Nervosität“ bei einigen Politikern ausgelöst. Probleme mit den Pensionen, der Auszahlung von Löhnen und die Rubelabwertung könnten daher eventuell zu Stimmenverlusten führen. Positiv verbuche ein Großteil der Bevölkerung dagegen Putins Politik der Stärke, wie er sie mit der Annexion der ukrainischen Halbinsel Krim oder dem militärischen Eingreifen in Syrien demonstriert habe.

Mit großen Demonstrationen gegen den erwarteten Ausgang der Wahl und mögliche Fälschungen rechnet Erler auch nicht, weil die Opposition nach den Protesten 2011 massiv eingeschüchtert worden sei. Jeder, der sich einmische, „steht mit einem Bein im Gefängnis“. Auch deute die Stimmung in Russland „eher nicht“ auf Proteste hin. Das Interesse an den Parlamentswahlen sei „auffällig gering“, die Menschen erwarteten sich nichts davon. „Jeder weiß, dass die Duma kein entscheidender Faktor in der Politik ist.“

Bei dem entscheidenden Faktor, dem Kreml und den von ihm gesteuerten Medien, beklagt Erler „viele Propagandaaktionen“ wie beispielsweise die angebliche Vergewaltigung eines Russlanddeutschen Mädchens aus Berlin durch Flüchtlinge. Mit dieser Lüge werde die russische Seite seither immer wieder konfrontiert, sagte Erler. „Wir machen keine Gegenpropaganda, wir antworten mit Aufklärung.“

Dass der Kreml mit seinem Vorgehen „vielleicht auch destabilisierende Wirkung erzielen“ wolle, sei nicht von der Hand zu weisen, sagte Erler. Schließlich sei es angesichts der wegen der Ukraine-Krise gegen Russland verhängten Sanktionen im Interesse Moskaus, den Konsens darüber im Westen aufzubrechen. „Das haben wir genau im Auge“, sagte der Russland-Beauftragte.