Kern und Kurz bei UNO-Vollversammlung: Flüchtlingsfrage im Fokus
New York/Damaskus/Wien (APA) - Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ) und Außenminister Sebastian Kurz (ÖVP) nehmen in der kommenden Woche an de...
New York/Damaskus/Wien (APA) - Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ) und Außenminister Sebastian Kurz (ÖVP) nehmen in der kommenden Woche an der UNO-Generaldebatte in New York teil. Wichtige Themen sind dabei unter anderem die Flüchtlingsfrage, die humanitäre Katastrophe in Syrien und der Klimaschutz. Auch ein alter Bekannter sollte vertreten sein: Ex-Bundeskanzler Werner Faymann wurde von Generalsekretär Ban Ki-moon eingeladen.
Faymann (SPÖ) war von Ban Mitte August zum Sondergesandten für den weltweiten Kampf gegen die Jugendarbeitslosigkeit bestellt worden. Er nahm seine neue, ehrenamtliche Tätigkeit mit Anfang September auf. Ranghöchster Vertreter Österreichs war in den vergangenen Jahren stets Bundespräsident Heinz Fischer. Da das Amt derzeit vakant ist, nimmt diese Rolle nun Kern ein. Er ist daher auch zum traditionellen Empfang des US-Präsidenten eingeladen. Dieser wird heuer zum letzten Mal von Barack Obama und dessen Frau Michelle gegeben.
Für den Außenminister ist die Generaldebatte mit über 130 Staats- und Regierungschefs sowie Ministern mittlerweile fast schon Routine: Er wird am Mittwochabend (Ortszeit) bereits zum dritten Mal den österreichischen Redebeitrag abgeben. Kern und Kurz werden am Montag auch am UN-Flüchtlings- und Migrationsgipfel teilnehmen und sich zu Wort melden. Ein Hauptaugenmerk soll laut Diplomaten dabei auch der Frage gewidmet werden, wie die Lage in den Herkunftsländern der Flüchtlinge verbessert werden kann.
Kritiker sehen in Bezug auf den Flüchtlingsgipfel wenig Grund für Optimismus, selbst wenn mit der geplanten „New Yorker Erklärung“ ein besser abgestimmter humanitärer Ansatz im Umgang mit großen Flucht- und Mitrationsbewegungen erzielt werden soll. Der 22-seitige Entwurf des Abschlussdokuments „New Yorker Erklärung“, über das am 19. September abgestimmt werden soll, sei „reich an Gemeinplätzen und Prinzipien und arm an konkreten Details und politischen Strategien“, heiß es seitens von NGOs.
Die Organisation „Ärzte ohne Grenzen“ (MSF) monierte etwa am Freitag: „Während die Staats- und Regierungschefs in New York diskutieren, sitzen 75.000 syrische Flüchtlinge an der Grenze Syriens zu Jordanien fest. 350.000 somalische Flüchtlinge sind gefährdet, aus Dadaab in Kenia in ein Kriegsgebiet zurückgeschickt zu werden. Zehntausende Menschen erdulden die Hölle in Libyen und warten auf ihre Chance, das Mittelmeer zu überqueren, in dem bereits in diesem Jahr bisher 3.200 Männer, Frauen und Kinder ertrunken sind.“
„MSF“ forderte die beim Gipfel vertretenen Politiker auf, die Augen nicht vor dem Leid von Millionen von Flüchtlingen und Migranten auf der ganzen Welt zu verschließen: „An anderen Schauplätzen der Welt werden lateinamerikanische Asylwerber in Mexiko unter der von den USA finanzierten Grenzstrategie ‚Programa Frontera Sur‘ entsetzlich behandelt, die Rohingya in Südostasien werden ausgebeutet, ihnen werden ihre Rechte verweigert, und 2,6 Millionen Menschen wurden in der Lake Tschad-Region von Boko Haram aus ihrer Heimat vertrieben.“
Die EU hat bereits angekündigt, „Migrationspartnerschaften“ mit Ländern wie Jordanien, dem Libanon, Tunesien, Nigeria, Senegal, Mali, Niger, Äthiopien und Libyen zu schließen. Aus vorhandenen Mitteln sollen dafür bis 2020 etwa acht Milliarden Euro eingesetzt werden. Durch private und öffentliche Investitionen könnten bis zu 31 Milliarden Euro zusammenkommen, rechnete Migrationskommissar Dimitris Avramopoulos bereits im Juni vor. Wenn sich auch die Mitgliedsstaaten beteiligten, könnten daraus bis zu 62 Milliarden werden. Aber auch der Irak und die Türkei sollen einbezogen werden.
Hinter den diplomatischen Kulissen wird auch nicht ausgeschlossen, dass sich im Rahmen des UNO-Gipfels die Wege von Kern und jene des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan kreuzen könnten. Die Stimmung zwischen Wien und Ankara ist derzeit angespannt, weil sich sowohl Kern als auch Kurz für einen Abbruch der EU-Beitrittsverhandlungen mit Ankara stark machen und eine andere Form der künftigen Kooperation andenken wollen. Die Türkei reagierte verschnupft und ließ beispielsweise die archäologischen Grabungen in Ephesos vorzeitig stoppen. Österreichische Wissenschafter sind dort mit kurzen Unterbrechungen seit 1895 tätig.
Ein Schwerpunkt der Debatten wird wegen der Migrationsproblematik auch auf der Syrienkrise liegen. Kurz wird am Montag dazu mit dem UN-Sondergesandten für Syrien, Staffan de Mistura, und seinem Pendant für Libyen zusammenkommen. Gemeinsam werden Bundeskanzler und Außenminister am Mittwoch auch mit UNO-Generalsekretär Ban Ki-moon Gespräche führen, dessen Amtszeit Ende des Jahres ausläuft.
Zudem stehen für beide Regierungspolitiker zahlreiche bilaterale treffen auf dem Programm. Kurz will dabei auch den Vorsitz in der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) ins Spiel bringen, den Österreich im kommenden Jahr innehaben wird. Am Sitz des derzeitigen Vorsitzlandes, Deutschland, wird der 30-Jährige am Donnerstag eine Rede zur Stärkung der Rolle der OSZE im „Zivilen Krisenmanagement“ halten. Während der Außenminister bis Freitag im „Big Apple“ bleiben wird, reist der Bundeskanzler bereits am Mittwoch zurück.
Der SPÖ-Regierungschef organisiert am Samstag darauf einen „Flüchtlingsgipfel“ in Wien, zu dem die Regierungschefs von zehn Staaten geladen sind, die besonders von der Flüchtlingskrise betroffen sind. Neben Slowenien, Kroatien, Serbien, Albanien, Ungarn, Bulgarien, Rumänien und Mazedonien sind anders als bei der umstrittenen Wiener Westbalkan-Konferenz im Februar auch Deutschland (Angela Merkel) und Griechenland (Alexis Tsipras) mit von der Partie.
Somit wurde neben der deutschen Kanzlerin Angela Merkel auch der griechische Premier Alexis Tsipras eingeladen. Im Februar hatten die Staaten des Westbalkan unter Federführung von Außenminister Kurz und der damaligen Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (beide ÖVP) bei einer Konferenz in Wien die Schließung der Westbalkanroute vereinbart. Griechenland reagierte empört, dass es nicht zur Konferenz geladen war, auch aus Deutschland kam scharfe Kritik. Kurz wird die Außenminister verschiedener Westbalkan-Staaten bereits am kommenden Montag zu einem Meinungsaustausch in der Ständigen Vertretung Österreichs in New York treffen.
~ WEB http://www.un.org/en/ga/ ~ APA282 2016-09-16/13:00