Nissan

Einer muss der Ärgste sein

Im 10. Jahr noch einmal zu neuer Jugend gereift: Der Nissan GT-R behauptet seinen Status als bösestes Spielzeug für Erwachsene.
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Mit 2,8 Sekunden auf den ersten Hunderter und 315 km/h Spitze legt der Nissan GT-R auch der namhaftesten Konkurrenz einiges vor.

Von Stefan Pabeschitz

Nürburgring – Wer Sportwagen ruft, dem schallt nicht unbedingt Nissan als erstes Echo entgegen. Schon seit 2007 lehrt der wilde Japaner aber den großen Namen im Segment das Fürchten. Und das nicht womöglich nur dank überbordender Brachial-Power à la US-Rezept, sondern mit einem fein ausgesuchten Best-Of an Hochleistungstechnik. Filettiert schaut das so aus: Aluminium V6-Biturbo, Transaxle-Bauweise mit Getriebe an der Hinterachse zur besseren Gewichtsverteilung, intelligenter Allradantrieb, adaptives Fahrwerk, Sechsgang-Doppelkupplungsgetriebe. Eine Fahrmaschine erster Güte, der auch in ihrem beachtlichen 10. Baujahr noch die volle Aufmerksamkeit und Liebe der Firma zuteil wird.

Dank Feintuning an der Motorelektronik hat der GT-R soeben 20 PS zugelegt, bei Getriebeabstimmung und Schaltfrequenzen wurde nachgewürzt, das Fahrwerk noch einmal überarbeitet. Nicht, dass jemanden in der bisherigen Ausführung etwas abgegangen wäre – aber das Bessere war schon immer der dankbarste Feind des Guten. Äußerlich feilt der heiße Nissan mit geschärfter Front und größerem Kühlergrill an seinem Charakter – der Überraschungseffekt, wenn sich der rare Supersportler im Rückspiegel breitmacht, bekommt damit zumindest eine neue Note. Die hintere Schürze spendet dem GT-R sein noch hitzigerer Ableger Nismo und es bleibt auch bei den anachronistischen vier runden Heckleuchten, die der Ferrari-Schreck mit den Klassikern aus Maranello gemeinsam hat.

Für den leiseren Start gibt es jetzt tatsächlich einen Komfortschalter, mit dem der Titan-Auspuffanlage im Dienste des nachbarschaftlichen Friedens Scheuklappen angelegt werden. Wer das braucht, sollte aber doch eher über einen Umzug nachdenken. Erst einmal am Leben, vibriert der GT-R in der Vorfreude auf den Ritt feinsensorisch. Oder sind wir das? Drinnen herrscht jedenfalls klassische Kampfjet-Atmosphäre mit Analog­instrumenten, ein bisschen Top-Gun-Flair aus dem letzten Jahrtausend. Davor ein ergonomisch perfektes Lenkrad samt Schaltwippen, mit denen Nissan jetzt ein Dogma kippt: Fix an der Lenksäule will der strenge Katechismus des Sportwagenbaus sie sehen – am Lenkrad mitdrehend gelten sie allgemein als Lulu-Variante.

Dass sie das zumindest hier nicht ist, macht der GT-R dann ziemlich rasch klar. Der Motor legt mit einer Direktheit los, die verblüfft und der Fahrer ist auch akustisch lautnah dran: Da spricht pure Kraft, kein künstliches Sound-Engineering. Die Tachonadel reißt hoch wie anderswo kaum die eines Drehzahlmessers. Der wiederum nimmt dankbar Umdrehungen bis 7.000 und die Gänge verlangen mit motorradartiger Frequenz nach Nachlegen. Dass der GT-R vom Prinzip her ein Hecktriebler ist, der bei Bedarf seine Kraft auch bis zu 50 Prozent an die Vorderachse wuchtet und nicht, wie verbreitet, umgekehrt, erzeugt ein wohliges Ziehen an der Hinterachse. Sie ist ein zuverlässiger Bewegungsmelder für den Grenzbereich. Der liegt für den Normalfahrer weit außer Reichweite – wer einen GT-R wegwirft, macht sich vorsätzlichen Übermuts schuldig.

Die Lenkung ist etwas leichtgängig ausgefallen, womit sich Nissans Schnellster jenseits der 250 gar etwas luftig anfühlt – gelobt sei die deutsche Autobahn, die solche Erprobungen generös ermöglicht. Das größte Kompliment an die Kompaktheit des Renners GT-R ist wahrscheinlich, dass die gefahrene Geschwindigkeit durchgehend etwa doppelt so hoch ist wie die gefühlte. Das als Ausrede zu verwenden, wenn man deswegen rausgewunken wird, ist aber nicht empfehlenswert.