Konflikte

Opferzahl nach US-Luftangriff in Syrien auf 90 gestiegen

Russlands Außenminister Sergej Lawrow und US-Amtskollege John Kerry.
© REUTERS

US-Angriffe in Syrien verschärfen Spannungen mit Russland. Auf Antrag Russlands musste der UN-Sicherheitsrat eine Dringlichkeitssitzung abhalten.

Damaskus/New York – Die Zahl der getöteten syrischen Soldaten nach einem US-Luftangriff ist nach Angaben von Aktivisten auf 90 gestiegen. Wie die in Großbritannien ansässige „Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte“ am Sonntag weiter berichtete, hat der Angriff nahe der ostsyrischen Stadt Deir ez-Zor (Dair as-Saur) rund 40 Minuten lang gedauert.

Dabei seien verschiedene Positionen der Regierungstruppen in der Nähe eines Militärflughafens getroffen worden. Die syrische staatliche Nachrichtenagentur Sana hatte zunächst mit Verweis auf das örtliche Militärkommando von mindestens 60 getöteten Soldaten und mehr als 100 Verletzten gesprochen.

US erklären ihr „Bedauern“ über möglichen „Irrtum“

In einer Erklärung von Pentagon-Sprecher Peter Cook heißt es, die Piloten seien davon ausgegangen, dass sie Kämpfer der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) angriffen. Außerdem sei Russland im Voraus informiert worden, dass Kampfflugzeuge der Koalition in dem Gebiet operieren würden. Dagegen seien keine Bedenken geäußert worden. Die USA bedauerten, falls irrtümlicherweise Positionen des syrischen Militärs getroffen worden seien, heißt es in der Erklärung.

Nach einer Sondersitzung des UNO-Sicherheitsrats erklärte der russische UNO-Botschafter Witali Tschurkin, hinter dem russisch-amerikanischen Abkommen zur Beendigung der Kampfhandlungen in Syrien stehe nun „ein sehr großes Fragezeichen“. Die US-Botschafterin Samantha Power warf Russland ihrerseits Scheinheiligkeit und Effekthascherei vor, weil es die Sondersitzung des höchsten UNO-Gremiums beantragt habe. Stattdessen solle sich die Regierung in Moskau darauf konzentrieren, die Umsetzung des gemeinsam und im guten Willen ausgehandelten Abkommens für Syrien voranzubringen.

USA äußerte Bedauern

Bereits zuvor hatte das Außenministerium in Moskau erklärt, der Angriff, bei dem nach Angaben oppositionsnaher Beobachter 80 syrische Soldaten getötet wurden, gefährde das zwischen den Regierungen in Moskau und Washington geschlossene Abkommen zu einem gemeinsamen Vorgehen in Syrien. Es habe den Anschein, als unterstützten die USA die Extremistenmiliz IS (Daesh).

Ranghohe Vertreter der US-Armee räumten ein, dass die Bombardierung der syrischen Soldaten wohl auf das Konto der von den USA geführten Allianz gehe. Man sei sich dessen ziemlich sicher, sagte ein Armeevertreter, der namentlich nicht genannt werden wollte. Der Angriff habe nach tagelangen Beobachtungen möglicher Ziele durch den US-Geheimdienst stattgefunden. Er sei sofort abgebrochen worden, nachdem Russland darauf hingewiesen habe, dass es sich nicht um Stellungen des IS gehandelt habe.

Das US-Verteidigungsministerium äußerte am späten Abend (Ortszeit) Bedauern. „Sollten wir versehentlich eine Position der syrischen Armee getroffen haben, bedauern wir dies, insbesondere den Verlust von Menschenleben“, erklärte der Pressesprecher des Pentagon Peter Cook. Allerdings habe Russland keine Bedenken geäußert, als es über die Absicht informiert worden sei, in der Region Angriffe zu fliegen. Die US-Regierung versicherte zudem, man werde bei den weiteren Angriffen auf Kämpfer der Islamistengruppen IS und Al-Kaida in Übereinstimmung mit den Vereinbarungen der Waffenruhe handeln.

Der Angriff hatte sich am späten Nachmittag in der Nähe des Flughafens von Deir ez-Zor in Nordost-Syrien ereignet. Durch die Ausschaltung der syrischen Soldaten sei es Kämpfern den IS-Extremisten gelungen, die syrischen Truppen in Dschebel Tharda zurückzudrängen, berichtete die Beobachtungsstelle für Menschenrechte. Die russische Armee bestätigte die Luftschläge und sprach von mindestens 60 getöteten Syrern.

Russland und die USA haben am vergangenen Wochenende eine Waffenruhe für das Bürgerkriegsland vereinbart, die Montag in Kraft trat, in den vergangenen Tagen aber zunehmend brüchig wurde. Hält die Feuerpause sieben Tage, wollen die USA und Russland der Abmachung zufolge zu gemeinsamen Luftangriffen auf Extremistengruppen wie den IS übergehen. Der von beiden Ländern ausgehandelte Pakt soll den Weg für eine friedliche Lösung des seit mehr als fünf Jahren tobenden Syrien-Konflikts ebnen. (APA/Reuters)