Deutschland

Berlin: Hauptstadtwahl als Wegweiser, adieu für Rot-Schwarz?

Für Kanzlerin Angela Merkel und ihre CDU läuft derzeit kaum etwas rund.
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Heute, Sonntag, wählt Berlin sein Abgeordnetenhaus. Die erwartete Schlappe für die CDU könnte auch auf Bundesebene fatale Folgen für die Union haben.

Berlin – Seit 1989, dem Jahr des Mauerfalls, gab es in Berlin keine Landesregierung ohne die SPD. Dass sich dies ändern könnte, gilt nach der Meinung von deutschen Politik-Experten eher als unwahrscheinlich. Allerdings zeichnet sich derzeit in den Umfragen auch kein klarer Wahlsieger ab.

In den vergangenen fünf Jahren wurde Berlin von einer rot-schwarzen Koalition aus Sozial- und Christdemokraten regiert. Diese will der Regierende Bürgermeister Michael Müller (SPD) aber nicht mehr fortsetzen. Sie hätte laut Umfragen auch keine Mehrheit mehr. Wahrscheinlicher ist deshalb eine künftige rot-grün-rote Regierung aus SPD, Grünen und Linken.

Viel Verdruss mit der öffentlichen Verwaltung

Michael Müller trat vor rund zwei Jahren die Nachfolge von Klaus Wowereit als Regierender Bürgermeister an. Doch für die Berliner mischt er rein gefühlsmäßig schon ewig in der Berliner Spitzenpolitik mit.

Müller war bereits Parteivorsitzender, Fraktionschef und Senator. Anders als sein Vorgänger Wowereit meidet er aber das Scheinwerferlicht. Den Berlinern gefiel anfänglich die spröde Art ihres neuen Regierungschefs, seine Beliebtheitswerte waren höher als die von Wowereit. Doch inzwischen muss auch Müller kämpfen. Zwischen 21 und 24 Prozent zeigten die Umfragen für die SPD zuletzt. 2011 kam sie mit Wowereit noch auf 28,3 Prozent. Mit dem Senat unter Leitung von Michael Müller sind nach einer Umfrage 58 Prozent unzufrieden. Der Verdruss vieler Berliner liegt auch am Zustand der öffentlichen Verwaltung. Viele Hauptstädter beklagen lange Wartezeiten in Bürgerämtern, die schleppende Bearbeitung von Anträgen, Schlaglochpisten und einen fragwürdigen Zustand staatlicher Einrichtungen.

Dazu kommen rasant steigende Mietpreise. Für Kopfschütteln über die Stadtgrenzen hinaus sorgt auch die immer wieder verschobene Eröffnung des Hauptstadtflughafens BER. Negativ-Schlagzeilen gab es in den letzten Wochen auch beim Landesamt für Gesundheit und Soziales (Lageso) wegen Unregelmäßigkeiten bei der Betreuung von Flüchtlingen.

Götterdämmerung in der CDU

Für Angela Merkel und ihre CDU läuft derzeit kaum etwas rund. Wegen ihrer Flüchtlingspolitik droht das Verhältnis zur CSU auf lange Zeit schweren Schaden zu nehmen. Außerdem kassiert die CDU in den Ländernwahlen einen Dämpfer nach dem anderen. Nach Mecklenburg-Vorpommern muss sich die CDU nun auch in Berlin auf eine empfindliche Niederlage einstellen.

Meinungsforscher taxierten die Hauptstadt-Union zwischen 17 und 20 Prozent der Stimmen. Wenn es dabei bleibt, wäre es eines der schlechtesten Ergebnisse in Berlin. Bisher blieb die CDU nur einmal, im Jahr 1948, unter der 20 Prozent-Marke hängen. Eine Neuauflage der rot-schwarzen Koalition wäre bei einem solchen Ergebnis auch nicht mehr möglich

Nach Meinung von Parteiforschern dürfte dies zudem nicht ohne Wirkung auf die Bundespolitik bleiben. Dass sich die CDU in Berlin schon seit einiger Zeit schwer tut, sei zwar bekannt und habe auch nicht primär mit der Flüchtlingspolitik der Bundesregierung zu tun.

„Trotzdem wird das absehbar schlechte Abschneiden der CDU in Kombination mit einem guten Ergebnis der AfD die Spannungen innerhalb und zwischen den Unionsparteien weiter verstärken“, betonte der Mainzer Politikwissenschaftler Kai Arzheimer gegenüber dem deutschen Handelsblatt.

CDU/CSU auf Jahrestief gefallen

Die Union ist im Sonntagstrend der Bild am Sonntag auf ein Jahrestief gefallen, die AfD auf ein Jahreshoch gestiegen. Bei einer Bundestagswahl käme die CDU/CSU nach der Emnid-Erhebung nun auf 32 Prozent. Das ist um ein Prozentpunkt weniger als eine Woche zuvor. Die AfD legt um einen Punkt auf 14 Prozent zu. Die SPD verbessert sich ebenfalls um einen Punkt auf 24 Prozent. Die Grünen kommen erneut auf 11 Prozent, die Linke weiterhin auf 9 Prozent. Die FDP verliert einen Punkt auf 5 Prozent.

Links-link gegen Ultrarechts

Die AfD dürfte ihren Höhenflug wohl fortsetzen. Alle Umfragen sehen die Partei von Bundesprecherin Frauke Petry mit 10 bis 15 Prozent im Parlament. Auch die FDP könnte ein Miniwahlsieger werden, sie dürfte nach 1,8 Prozent vor fünf Jahren wieder ins Abgeordnetenhaus einziehen. Damit wären Zweierbündnisse Geschichte. Und die derzeit regierende SPD müsste wohl den erstmaligen Versuch wagen, mit den Grünen und der Linken zu koalieren.

Bei den Linken dagegen darf man mit Blick auf die Demoskopen von einem besseren Ergebnis als 2011 träumen, damals landete die Partei bei 13,4 Prozent.

Aber warum ist die AfD plötzlich auch in Berlin so stark, will der Spiegel in seiner Onlineausgabe wissen. Das, so das Blatt, frage sich auch die politische Konkurrenz. Lange schienen die Rechtspopulisten in Berlin deutlich weniger punkten zu können als bei den vergangenen Landtagswahlen. Doch dies hat sich mit Blick auf die Umfragen in den vergangenen Monaten geändert. Weil sie auch der SPD spürbar schaden könnte, habe Regierungschef Müller auf den letzten Metern seinen Ton Richtung AfD deutlich verschärft. Er warnt vor allem vor dem Signal, das Berlin damit in die Welt senden würde. Da Berlin eine bunte Stadt sei, würden die Rechtspopulisten hier betont zurückhaltend auftreten, wie eine Art „AfD light“. Das dürfte ein Grund für ihr Aufkommen in der Hauptstadt sein. Zudem profitiert die Partei inzwischen, so das Nachrichtenmagazin, auch in Berlin von der anhaltenden Unzufriedenheit mit der Flüchtlingspolitik der Bundesregierung – gerade im CDU-Milieu.

Mit ihren mehr als 3,5 Millionen Einwohnern ist die deutsche Hauptstadt ein eigenes Bundesland. Neben dem Abgeordnetenhaus werden zugleich die Kommunalparlamente in den Bezirken gewählt, die so genannten Bezirksverordnetenversammlungen. Mit ersten Prognosen zum Wahlausgang wird mit Schließung der rund 1800 Wahllokale um 18 Uhr gerechnet. Das vorläufige amtliche Endergebnis dürfte erst nach Mitternacht vorliegen. (TT.com, dpa)