Merkels Mantra zur Flüchtlingspolitik wird eingemottet
Berlin (APA/dpa) - Manchmal kann es klüger sein, Druck aus dem Kessel zu lassen. Das weiß auch die Machtpolitikerin Angela Merkel. Und so ni...
Berlin (APA/dpa) - Manchmal kann es klüger sein, Druck aus dem Kessel zu lassen. Das weiß auch die Machtpolitikerin Angela Merkel. Und so nimmt sich die deutsche Kanzlerin einen eigenen Satz vor, der die Schar ihrer Kritiker längst nur noch zur Weißglut bringt. Es ist der Satz, der einmal in den Geschichtsbüchern stehen könnte und zum Motto ihrer Flüchtlingspolitik geworden ist: „Wir schaffen das.“
Zum ersten Mal geprägt im Sommer 2015, seitdem mehrfach bekräftigt. Nun verkündet die CDU-Chefin, die drei Worte lieber nicht mehr so oft zu verwenden. Es ist fein kalkuliertes Friedenssignal, nicht zuletzt an die CSU.
Mit einer nüchternen Analyse mottet Merkel ihr Mantra ein wie ein Kleidungsstück, das nicht mehr so hundertprozentig sitzt - weg kommt es nicht, aber ständig herausgeholt werden soll es nicht mehr. Denn gemeint gewesen sei der Satz „anspornend, dezidiert anerkennend“, wie die Kanzlerin im Interview mit der „Wirtschaftswoche“ betont. Doch mittlerweile sei er „zu einer Art schlichtem Motto, fast zu einer Leerformel“ geworden. Mit einer Dosis Selbstkritik räumt Merkel ein, dass sich „manch einer“ von den „übertrieben oft wiederholten drei Worten“ sogar provoziert fühle. So sei das aber nie gemeint gewesen.
Ohne die Kritiker zu nennen, dürfte Merkel darauf bauen, dass ihre Worte besonders in den eigenen Unionsreihen vernommen werden. Seit der bitteren Schlappe in Mecklenburg-Vorpommern, wo die CDU hinter die AfD absackte, bläst die CSU wieder verschärft zur Attacke auf „die Berliner Politik“ und die Kanzlerin als Person. Auch in der CDU empfinden manche ihr unbeirrtes „Wir schaffen das“ inzwischen als Sturheit. Dabei schwingt auch die Erwartung mit, Merkel möge angesichts der großen Probleme doch zumindest Zweifel erkennen lassen und etwas signalisieren wie: „Wir haben verstanden.“
Indem sie das emotional aufgeladene Motto niedriger hängt, kommt die Kanzlerin ihren Widersachern entgegen. Allerdings ohne vom Inhalt abzurücken. Oder gar bedeutendere Positionen wie ihr striktes Nein zu einer Flüchtlings-Obergrenze aufzuweichen, die die CSU erzwingen will. „Nein“, sagt Merkel also auch auf die Frage, ob sie sich von ihrem Satz distanziere. „Er ist Teil meiner politischen Arbeit, weil ich davon überzeugt bin, dass wir ein starkes Land sind, das auch aus dieser Phase gestärkt herauskommen wird.“
Ob der Entkrampfungsversuch trotzdem glückt? Bessere Stimmung könnte nicht schaden, wenn sich die Union in diesem Herbst bei gemeinsamen Themenkonferenzen zusammenraufen will. Im November ist CSU-Parteitag, im Dezember der CDU-Kongress. Und dann beginnt das Bundestagswahljahr 2017. Merkel lässt noch offen, ob sie wieder antritt. Dafür braucht sie eine Verständigung mit CSU-Chef Horst Seehofer, der sich ihr Mantra „beim besten Willen nicht zu eigen machen“ konnte. Allein um Worte geht es ihm aber nicht. Schon vor Merkels Satzanalyse hatte er im „Spiegel“ signalisiert, dass er „ein gutes Stück zuversichtlicher“ geworden sei, Streitigkeiten in der nächsten Zeit klären zu können.