Mann nach Doppelmord von Kapfenberg bei Prozess geständig
Ein 34-Jähriger stand vor Gericht, nachdem er im April diesen Jahres seine Frau und deren Schwester auf offener Straße erstochen hatte.
Leoben/Kapfenberg – Ein 34-jähriger serbische Staatsangehöriger hat sich am Montag wegen zweifachen Mordes im Landesgericht Leoben verantworten müssen. Der Mann soll im vergangenen April seine Ehefrau und deren Schwester auf offener Straße in Kapfenberg getötet haben. Beim Prozessauftakt gestand er, sein Verteidiger sprach von Totschlag. Die Zeugen berichteten von Blut „von den Fingern bis zum Ellbogen“ und brutalen Tritten.
Die für zwei Tage anberaumte Verhandlung vor einem Geschworenengericht wird in einer Woche fortgesetzt. Am ersten Tag war die Staatsanwältin am Wort: Sie sagte, die Ehe sei „von Beginn an durch Gewalttätigkeiten geprägt“ gewesen. Der Beschuldigte habe seine Frau geschlagen, ihr Nase und Rippen gebrochen. Doch das Opfer habe sich zunächst nicht getraut, sich von ihm zu trennen. „Sie blieb bei ihm, sorgte sich um die drei Kinder und ging arbeiten“, sagte Huber.
Eingreifende Passanten attackiert
Irgendwann habe die Frau alles nicht mehr ertragen und wollte die Scheidung, sagte die Staatsanwältin. Der 34-Jährige sei gekränkt gewesen, wollte sie zurück, doch sie wollte nicht. „Das konnte er nicht akzeptieren. Daher entschied er, sie zu töten“, sagte die Staatsanwältin. Zwei Tage vor der Messerattacke am 4. April 2016 schrieb er ihr eine Nachricht. In dieser drohte er seiner Frau. Die 30-Jährige wollte deswegen in Begleitung ihrer 29-jährigen Schwester zur Polizei, um Anzeige zu erstatten. „So weit kamen die Frauen aber nicht. Er lauerte ihnen auf“, beschrieb Huber. Zwölf Mal stach der mehrfach vorbestrafte Serbe auf seine Frau ein, drei Mal auf seine Schwägerin. „Dann trat er auf die am Boden liegenden Frauen ein. Sein Schuhprofil war sogar im Gesicht der Gattin zu erkennen“, so die Anklägerin.
Eingreifende Passanten attackierte der Beschuldigte ebenfalls. Kurz darauf schnappte ihn die Polizei. Gegenüber den Beamten war er überwiegend geständig, meinte aber, er sei unter Drogen- und Alkoholeinfluss gestanden. Laut dem toxikologischen Gutachten war er aber nüchtern und die nachgewiesene Kokainmenge nur sehr gering: „Er war zurechnungsfähig und nicht benebelt. Er wusste ganz genau, was er tat“, erklärte Huber.
Sein Verteidiger meinte, dass die Beweise klar auf dem Tisch liegen würden: „Das Blut seiner Gattin und seiner Schwägerin klebt an seinen Händen.“ Doch es sei Totschlag und kein geplanter Mord gewesen. Der Rechtsvertreter schilderte, dass der Angeklagte aus einem „machohaft geprägten Hintergrund“ komme und in einem „anderen kulturellen Umkreis“ lebe. Sie habe ihn hinausgeschmissen, „wie einen Hund“, und die Aussprache verweigert: „Dann explodierte alles und er sah rot“, versuchte der Verteidiger die Situation zu erklären.
„Sie bedeutete mir alles auf der Welt“
Der Beschuldigte sagte mit belegter Stimme und großteils unter Tränen: „Ich fühle mich schuldig, weil es kein uns mehr gibt. Die Kinder haben keine Mutter, keinen Vater.“ Er gestand, dass es zu Beginn der Ehe Gewalttätigkeiten gegeben hatte. „Wir waren jung und haben unsere Probleme nicht gelöst“, meinte er. Nach der Trennung habe er sich „wie in einer Wäschetrommel“ gefühlt. Da seine Frau aber gelöst wirkte, dachte er, sie habe einen anderen Mann. „Sie bedeutete mir alles auf der Welt.“
Der 34-Jährige schilderte vor Richterin Barbara Grundbichler, wie es seiner Ansicht nach zum Tod seiner Frau und seiner Schwägerin gekommen war. Er sei verzweifelt gewesen, habe schon am Vorabend – einem Sonntag – Kokain genommen und wollte sie sprechen, aber sie rief ihn nicht zurück, sagte er. Am Montag fuhr er dann zu ihr zur Arbeit und wollte mit ihr reden. Davor habe er Kokain genommen und zwei kleine Bier getrunken: „Ich wollte mich berauschen, damit sie sieht, wie schlecht es mir geht.“ Er habe mit ihr reden wollen, aber sie habe sich zurückgezogen und wollte nicht antworten. Dann sei er auf sie zugegangen, um sie zu schlagen: „Ich hatte Angst und großen Schmerz. Ich spürte, ich bin nicht mehr ich“, beschrieb er und sagte weiter: „Ich habe meine Seele, meinen Schatz, als erstes angegriffen.“ An viel mehr wollte oder konnte er sich vor Gericht nicht erinnern.
Zeugen schildern Attacke
Erster Zeuge war ein Mann, der am 4. April in einem Zug gesessen war und von da aus den Beschuldigten beobachtet hatte: „Ich sah, wie er zuerst geduckt und dann stehend hinter einem Häuschen war. Ich dachte, der verfolgt jemanden, ist vielleicht ein Stalker. Dann bewegte er sich eher schneller bei Büschen entlang und dann vorbei an zwei Jugendlichen.“ Die Jugendlichen schilderten danach, dass sie kurz nach dem Vorbeilaufen des Mannes eine Frau schreien gehört hatten. Sie schauten durch die Büsche und sahen, wie er auf seine Opfer eintrat – gegen Kopf und Korpus. Eine Zeugin beschrieb ähnliche Tritte und wie er dann den Tatort verließ: „Von den Fingern bis zu den Ellbogen war alles voll mit Blut.“ Als er festgenommen wurde, habe er den Kopf zu ihr gedreht und gesagt, er habe Alkohol getrunken und Drogen genommen – „als wenn es eine Entschuldigung sei“, meinte die Zeugin.
Weitere Zeugen sagten, dass der Beschuldigte abwechselnd auf die beiden Frauen eintrat. Die Tritte seien „massiv und brutal“ gewesen. Mit beiden Füßen gleichzeitig sei er auf den Körper seiner Frau gesprungen. Ein anderer Passant beschrieb, dass er einer der beiden Frauen helfen wollte: „Ich hörte sie noch röcheln und brachte sie in stabile Seitenlage.“ Der Angeklagte ließ bei den meisten Aussagen nur den Kopf hängen und meinte: „Ich kann gar nicht glauben, dass das alles so vorgefallen ist.“ Ein betagter Mann, der dazwischen ging, schilderte, wie er den Täter beschimpft hatte: „Ich sagte zu ihm, du Arschloch, eine Frau traust dich schlagen.“ Daraufhin habe der Mann ihm auch noch eine verpasst. Der Pensionist musste deswegen am Kinn genäht werden.
Anschließend wurde das Video der Tatrekonstruktion gezeigt, wobei es dem Angeklagten offenbar zunehmend schlechter ging. Mehrmals musste die Verhandlung für eine Pause unterbrochen werden. Am Ende des ersten Prozesstages war auch noch der Gerichtsmediziner zu hören. Er sprach von sehr vielen Verletzungen: „Selbst nach meinen 24 Jahren Berufserfahrung ist das erschütternd gewesen.“ Der Gutachter schloss aus, dass der Beschuldigte alkoholisiert war oder unter dem Einfluss von Drogen stand. Der Prozess wurde vertagt und wird kommenden Montag mit weiteren Zeugen sowie einem psychiatrischen Gutachten fortgesetzt. (APA)