Internationale Pressestimmen zum Wahlkampf um die US-Präsidentschaft

Washington (APA/dpa/AFP) - Zum US-Wahlkampf und den Videoaufzeichnungen mit sexistischen Äußerungen von Kandidat Donald Trump (Republikaner)...

Washington (APA/dpa/AFP) - Zum US-Wahlkampf und den Videoaufzeichnungen mit sexistischen Äußerungen von Kandidat Donald Trump (Republikaner) schreiben Tageszeitungen am Montag:

„La Repubblica“ (Rom):

„Das unendliche Melodrama aus Sex, Politik und Lügen hat den Ton gewechselt: Jetzt schießen die Frauen auf den Jäger. Die Zeiten haben sich gedreht. Dank der Videoaufnahmen und der Lawine anderer Aufzeichnungen - eine widerlicher als die andere - ist die Ära des ‚präventiven Sex-Skandals‘ eingeläutet: Weniger blutig und weniger tragisch als der ‚Präventivkrieg‘, aber nicht weniger verheerend für die, die ihn kämpfen müssen. Vor allem, wenn er vor Millionen Fernsehzuschauern ausgetragen wird.“

„Frankfurter Rundschau“:

„Die Republikaner regen sich nun zu Recht über Trumps Sexismus auf. Sie tun es allerdings nicht, weil sie ein progressives Frauenbild haben. Sie fördern die Frauenrechte nicht und lehnen das Recht auf Schwangerschaftsabbruch ab. Sie haben kein Programm, das es Frauen erleichtert, Beruf und Kindererziehung zu verbinden. Wenn ihnen die Rechte der Frauen wirklich am Herzen lägen, müssten sie ihre Politik ändern. Eine Politik, die Trump als Präsidentschaftskandidaten erst möglich gemacht hat. Jetzt werden sie bei den Wahlen für ihre eigenen Fehler büßen.“

„Liberation“ (Paris):

„Bis Freitag waren Programm und Haltung Trumps für eine große Zahl republikanischer Verantwortlicher offensichtlich kein Problem. Zumindest konnten sie mit der vom (Ku Klux Klan) unterstützten Trump-Version einer weißen ‚Supremacy‘ (Vorherrschaft) vorlieb nehmen, falls es ihnen gelingt, ihre ultra-liberale Politik im Kongress durchzudrücken. Ob Trump gewählt wurde oder nicht, bedeutete ihnen letztlich wenig. Aber die Marionette ist ihnen entglitten.

Er hat das Herz der republikanischen und konservativen Wählerschaft angegriffen, eingeholt von seiner Vergangenheit und seinen realen oder erträumten Übergriffen auf verheiratete, wahrscheinlich weiße Frauen. Trotz seiner Entschuldigungen und der Unterstützung der Basis der Republikaner hat er an diesem Wochenende wohl seine Chancen belastet, auf Obama zu folgen. Vor allem hat er es geschafft, die republikanische Partei zur Explosion zu bringen (...).“

„The Daily Telegraph“ (London):

„Die US-Präsidentenwahl ist ein trauriges Spektakel. Beide Kandidaten sind mit Makeln behaftet, keiner genießt sonderlich viel Vertrauen oder ist besonders beliebt. Da müssen wir uns schon fragen, wieso die älteste und mächtigste Demokratie der Welt nicht in der Lage ist, besseres Material für ihren Präsidenten zu finden. Die Briten haben allerdings auch keinen Grund zur Angeberei: auch Großbritannien hat seine Probleme. Und überall in der Welt enttäuschen Politiker die Öffentlichkeit. Einige Parteien nehmen ihre verfassungsmäßige Rolle nicht ernst genug. Dafür gibt es kein besseres Beispiel als die Republikanische Partei (der USA). Die Aufzeichnung, auf der Donald Trump mit sexuellen Übergriffen auf Frauen prahlt - und darauf läuft die Äußerung hinaus - ist schockierend und widerlich. Doch war diese Enthüllung wirklich eine Überraschung? Nein. (...) Diese Wahl wird bestimmt durch parteipolitischen Hass. Und jene in der Mitte werden ihre Wahlentscheidung wahrscheinlich davon abhängig machen, gegen welchen der Kandidaten sie weniger Widerwillen empfinden.“

„Neue Zürcher Zeitung“:

„Die Republikanische Partei ist in Turbulenzen geraten, seit Tonaufnahmen mit widerlichen Bemerkungen ihres Präsidentschaftskandidaten aufgetaucht sind. ‚Was ist daran neu?‘, werden manche fragen. Dass sich Donald Trump primitiv benimmt, Frauen herabwürdigt, ein notorischer Ehebrecher ist und die Ausdrucksweise eines stockbetrunkenen Rowdys pflegt, ist längst bekannt. (...)

Im Raum steht damit nicht einfach ein Verstoß gegen Anstand und Sitte, sondern gegen das amerikanische Strafrecht. Wer will allen Ernstes einen Mann als Präsidenten, der sich schwerer Straftaten brüstet und damit protzt, dass man sich als Star eben alles erlauben könne? Als Präsident wäre Trump weit mehr als ein ‚Star‘ - er würde damit auch über viel größere Möglichkeiten zum Missbrauch seiner Macht verfügen. Aufgabe eines Präsidenten ist es jedoch, als Garant der Rechtsordnung zu dienen. Notabene mit diesem Argument hatten die Republikaner 1998 die Amtsenthebung Bill Clintons angestrengt - nicht weil er ein Schürzenjäger war, sondern weil er zur Vertuschung seiner Affären seine Stellung missbraucht und einen Meineid begangen hatte.“

„De Telegraaf“ (Amsterdam):

„Donald Trump will einfach nicht weichen. Er rechnet mit der anhaltenden Unterstützung eines harten Kerns seiner Anhänger und mit Wählern, die mit der Demokratin Hillary Clinton nichts am Hut haben. Die von Trump geschürte Unzufriedenheit vieler Amerikaner verschwindet nicht einfach so wegen einer alten Videoaufnahme. Dass das Partei-Establishment sich von ihm abwendet, verstärkt nur Trumps Popularität bei seiner Basis.

Zudem ist es nicht das erste Mal, dass Trump wegen frauenfeindlicher Äußerungen auffällt. Dass viele Republikaner sich nun von ihm distanzieren, ist größtenteils Ausdruck von Opportunismus. Nach einer Reihe von Dummheiten steht er in den Umfragen schlechter da und seine Parteifreunde haben Angst, beim definitiven Fall dieses Präsidentschaftskandidaten mit in den Abgrund gerissen zu werden.“