Wüste Attacken statt zerknirschter Reuebekenntnisse

Washington (APA/AFP) - Reuebekenntnisse sind seine Sache nicht. Und so bekam das Millionenpublikum alles andere als einen zerknirschten Dona...

Washington (APA/AFP) - Reuebekenntnisse sind seine Sache nicht. Und so bekam das Millionenpublikum alles andere als einen zerknirschten Donald Trump zu sehen. Zum Beginn der zweiten Debatte der US-Präsidentschaftskandidaten in der Nacht auf Montag gab der Immobilienmogul eine laue Entschuldigung für seine obszönen Äußerungen über Frauen ab - um dann sogleich in den Angriffsmodus zu wechseln.

Seine Tiraden gipfelten in einer in der Geschichte der Kandidatendebatten beispiellos wüsten Drohung: Als Präsident wolle er seine Rivalin Hillary Clinton wegen ihrer E-Mail-Affäre hinter Gitter bringen.

Der Republikaner, der wegen des Enthüllungsvideos mit seinen Vulgäritäten unter enormem Druck stand, hatte schon kurz vor dem TV-Duell zum Gegenangriff ausgeholt - mit einem Manöver, das noch einmal zeigte, mit welchem Geschick der frühere Reality-TV-Star die Medienklaviatur zu bespielen versteht. Drei Frauen hatte er zu einem Medienauftritt in einem Hotel in St. Louis eingeladen, die Ex-Präsident Bill Clinton vorwerfen, sich vor Jahrzehnten sexuell an ihnen vergangen zu haben.

„Mr. Trump hat vielleicht ein paar schlimme Worte gesagt“ - aber das sei kein Vergleich mit dem, was sie selbst erlitten habe, sagte Juanita Boaddrick während des live auf Facebook übertragenen Auftritts. Bill Clinton habe sie „vergewaltigt“, und seine Frau Hillary habe sie „bedroht“.

Damit machte Trump seine Drohung war, die Sexaffären des Ex-Präsidenten auszuschlachten. Um die Provokation auf die Spitze zu treiben, nahmen die angeblichen Clinton-Opfer dann im Publikum des Fernsehduells Platz. Entsprechend frostig begann die Debatte - Clinton und Trump verzichteten auf einen Händedruck. Und schon wenige Minuten später eskalierte die Debatte in einer Art und Weise, die in der Geschichte der US-Kandidatenduelle beispiellos ist.

Trump machte gleich zu Beginn deutlich, dass er sich nicht lange mit dem zwei Tage zuvor lancierten Skandalvideo von 2005 aufhalten wollte, in dem er sich in übelster Weise über Frauen auslässt. Seine Entschuldigung leierte er rasch herunter. Er sei auf die Vulgäritäten „nicht stolz“ und entschuldige sich bei seiner Familie und dem amerikanischen Volk.

Clintons Versuche, Trump weiter in die Enge zu treiben, waren nur begrenzt erfolgreich. Entgegen seinen Beteuerungen zeige das Video „genau, wer er ist“, hämmerte die Demokratin los. Trump habe sich nicht nur abfällig über Frauen geäußert, sondern auch über Einwanderer, Afroamerikaner, Latinos und Behinderte.

Trump setzte daraufhin eine Salve von Gegenattacken ab, stieß mit dem Zeigefinger immer wieder in der Luft in Richtung seiner Kontrahentin: Bill Clinton habe Frauen missbraucht, Hillary Clinton dieselben Frauen „bösartig angegriffen“. Und danach schaffte er es sogar, die Debatte eine Zeit lang auf Hillary Clintons E-Mail-Affäre zu lenken.

Als Präsident werde er einen Sonderermittler einsetzen, um diese Affäre um die regelwidrige Nutzung von Privatservern durch die Ex-Außenministerin zu durchleuchten, drohte Trump. Damit hatte die Debatte ihren schrillsten Moment erreicht. Zum Glück führe nicht jemand „mit einem Temperament wie Trump“ das Land, sagte Clinton - worauf ihr Rivale giftig konterte: „Weil Sie dann im Gefängnis wären.“

Für eingefleischte Trump-Anhänger war die Debatte zweifellos ein Genuss. Während er im ersten Duell noch über weite Strecken hilflos und fahrig wirkte, erfüllte Trump diesmal wohl ihre Erwartungen. Und möglicherweise ist es ihm sogar gelungen, die nach den Video-Enthüllungen in der eigenen Partei aufgekommenen Forderungen nach seiner Absetzung als Kandidat etwas einzudämmen.

Ob es ihm aber gelungen ist, mit seinem aggressiven Auftritt noch unentschlossene Wähler zu gewinnen und damit gegen Clinton aufzuholen, ist allerdings zweifelhaft. Erste Blitzumfragen sahen Clinton als Siegerin des Duells.