Flüchtlinge - Bulgarien: Proteste von Gegnern häufen sich
Sofia (APA) - Mit etwas mehr als 15.000 Flüchtlingen ist Bulgarien mit seinen 7 Millionen Einwohnern von der aktuellen Migrationskrise in Eu...
Sofia (APA) - Mit etwas mehr als 15.000 Flüchtlingen ist Bulgarien mit seinen 7 Millionen Einwohnern von der aktuellen Migrationskrise in Europa nicht besonders stark betroffen. Dennoch betrachtet jeder zweite Bulgare die Migranten als ein Sicherheitsrisiko.
Es kommt auch immer öfter zu Protestkundgebungen im Land, das die EU-Außengrenze zur Türkei bildet und bemüht ist, keine Alternative zur geschlossenen Balkanroute zu werden.
Dafür sorgt seit vergangenem Freitag auch der neue europäische Grenz- und Küstenschutz, ausgestattet mit mehr Befugnissen und Personal. Aufbauend auf der Grenzschutzagentur Frontex soll die neue Behörde die EU-Außengrenzen stärker sichern, etwa die bulgarische Grenze zur Türkei und zu Serbien, wo derzeit 190 Beamte aus der EU die bulgarische Grenzpolizei unterstützen.
Wie es scheint, beruhigen diese Bemühungen die Bürger in Bulgarien nicht, denn am Wochenende kam es erneut zu Protesten der Flüchtlingsgegner im Land. In Harmanli, an der türkischen Grenze, wo rund 3.500 Flüchtlinge in einem der größten Flüchtlingsheime im Land untergebracht sind, zogen am Wochenende zum zweiten Mal im Oktober mehrere Dutzend Menschen aus der 10.000 Einwohner zählenden Stadt durch die Straßen, um gegen die „Willkür der Flüchtlinge“ und die „Machtlosigkeit der Polizei“ zu protestieren.
Ähnliche Vorwürfe waren auch bei einem Protestmarsch durch das Zentrum der Hauptstadt Sofia zu hören, aber auch klare politische Botschaften. Die Redner nutzten den laufenden Wahlkampf für die Präsidentschaftswahlen in Bulgarien am 6. November aus, um den Rücktritt der EU-freundlichen Regierung zu fordern. Das Kabinett von Ministerpräsident Bojko Borissow werde gestürzt, wenn Bulgarien sich weiterhin an das Dublin-Abkommen halte und nicht alle Asylbewerber ohne Fluchtgrund abschiebe, drohten die Organisatoren des Protestes, die sich „Nationale Widerstandsbewegung“ nennen. Dass die Nationalisten, die diese Kundgebung via Facebook organisiert hatten, es ernst meinen, zeigt die Ankündigung neuer Protestzüge in Sofia für diese und kommende Woche.
Die Sicherheits- und Flüchtlingspolitik dominiert den Wahlkampf in Bulgarien. Die politischen Beobachter weisen auf den potenziellen Missbrauch der Protestkundgebungen für Wahlkampfzwecke hin. Die Meinungsforscher in Bulgarien rechnen dem Präsidentschaftskandidaten der Nationalpopulisten, Krassimir Karakatschanow, gute Chancen aus, in den zweiten Wahlgang gegen den wahrscheinlichen Wahlsieger aus der Regierungspartei einzuziehen. Die Meinungsumfragen zeigen aber auch, dass die Flüchtlingsgegner in Bulgarien zunehmend ungeduldig werden.
So hat die Hälfte der Befragten in einer Umfrage im Auftrag der Friedrich-Ebert-Stiftung die Flüchtlinge als eine Bedrohung für die Sicherheit des Landes bezeichnet. Den wachsenden Unmut der Bulgaren will der nationalistische Europaparlamentarier aus der Fraktion der Europäischen Konservativen und Reformer (EKR), Angel Dschambazki, nutzen, um ein EU-weites Referendum zur Flüchtlingspolitik zu organisieren. Der Jurist fordert, dass die Flüchtlingszentren außerhalb Europas eingerichtet werden. Dort solle die Identität der Migranten ermittelt oder überprüft werden.
Immer wieder spürt die Polizei in Bulgarien illegale Migranten auf, die versuchen, aus der Türkei nach Bulgarien einzureisen und weiter über Serbien nach Mittel- und Westeuropa zu ziehen. Da Bulgarien einen Grenzzaun entlang der türkischen Grenze gebaut hat, versuchen die Migranten seit einigen Wochen, auf türkischem Gebiet in fahrende Güterzüge einzusteigen. In der Nacht auf Montag konnte die bulgarische Grenzpolizei wieder 65 Menschen festhalten, die sich in einem mit Eisenerz beladenen Zug aus der Türkei versteckt hatten und sich als Syrer ausgaben.
Seit Jahresanfang wurden im ärmsten EU-Land Bulgarien gut 15.000 Flüchtlinge registriert. Die Flüchtlingsheime sind überfüllt. Der überwiegende Teil der Migranten will allerdings nicht in Bulgarien bleiben. Die meisten ziehen auf eigene Faust oder mit Hilfe von Schleppern in die reicheren Länder Mittel- und Westeuropas weiter.