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Brennende Handys werden für Samsung zum Albtraum

Ein brennendes Galaxy Note 7 bei einem Test Anfang Oktober.
© Reuters

Laut einem Insider wurde die Produktion des Galaxy Note 7 vorläufig eingestellt. Große Telekom-Anbieter in den USA stoppen den Geräte-Tausch.

Seoul – Bei Samsung nimmt das Desaster um brennende Akkus bei dem neuen Smartphone-Flaggschiff Galaxy Note 7 immer verheerendere Ausmaße an. Der Weltmarktführer hat laut einem Insider die Produktion des Geräts, das eigentlich Apple mit seinem iPhone unter Druck setzen sollte, zunächst komplett gestoppt.

Medienberichten vom Montag zufolge reagieren die Südkoreaner damit darauf, dass auch ein wegen Brandgefahr schon ausgetauschtes Exemplar vergangene Woche an Bord eines Flugzeugs Feuer fing. Samsung selbst teilte lediglich mit, die Auslieferungen würden „angepasst“, um eine bessere Qualitätskontrolle zu ermöglichen. Zwei US-Mobilfunkanbieter erklärten, ihren Kunden wegen des Risikos erstmal keine Note 7 mehr auszuhändigen.

2,5 Millionen Geräte zurückgerufen

Eigentlich sah sich Samsung mit dem Note 7 auf gutem Wege, Apple auszustechen. Während bei dem US-Konzern zuletzt der iPhone-Absatz sank und die Gewinne wegbrachen, klingelten bei den Asiaten die Kassen. Am 2. September aber, nur zwei Wochen nach dem Verkaufsstart des neuen Geräts, rief Samsung alle 2,5 Millionen bis dahin schon ausgelieferten Note 7 zurück. Zuvor waren im Internet Bilder von verschmorten Handys zu sehen gewesen, Medien hatten von „Explosionsgefahr“ bei den Geräten berichtet. Ursache waren offenbar die Akkus. Samsung versprach, Kunden die Geräte durch fehlerfreie neue zu ersetzen.

Vor wenigen Tagen musste dann aber in den USA ein startbereites Flugzeug wegen eines qualmenden Note 7 geräumt werden, das den Besitzern zufolge bereits von Samsung ausgetauscht worden war. Der Konzern hatte daraufhin eine Untersuchung angekündigt.

Aussetzung der Produktion in Absprache mit Behörden

Die Situationen der fünf bisher bekanntgewordenen Zwischenfälle mit angeblichen Austauschgeräten in den USA sind Horrorszenarien, wie sie im Buche stehen. Zwei US-Verbraucher berichteten, ihre Schlafräume hätten sich in der Nacht mit chemisch riechendem Rauch aus den Geräten gefüllt. Was wäre passiert, wenn sie nicht rechtzeitig aufgewacht wären? Und ein 13-jähriges Mädchen kam mit Verbrennungen an einem Daumen davon, als ein Note 7 in ihren Händen plötzlich sehr heiß wurde. Sie war gerade in einer Volksschule, wo sie ihre Geschwister abholen wollte.

Die südkoreanische Nachrichtenagentur Yonhap berichtete, die Aussetzung der Produktion sei in Absprache mit den Behörden in China und den USA erfolgt. Zuvor hatten Airlines, Behörden und Flughafenbetreiber bekräftigt, dass Besitzer des Note 7 ihre Geräte an Bord nicht in Betrieb nehmen und auch nicht aufladen dürfen. Die Telekom-Konzerne AT&T und T-Mobile US erklärten, sie würden keine Geräte im Tausch mehr herausgeben. T-Mobile stoppte zudem den Verkauf.

„Hall of Shame“

Apple dürfte sich angesichts der Entwicklung die Hände reiben. Der Smartphone-Vorreiter hatte Anfang September selbst seine neuen Geräte vorgestellt, die ebenso wie das Note 7 mit Preisen von rund 800 Euro im Luxus-Segment angeordnet sind. Mitte September hatte der US-Konzern dann von einer regen Nachfrage nach den neuen Geräten gesprochen. Für Apple käme ein Verkaufserfolg zur rechten Zeit, nachdem die Umsätze in den vergangenen beiden Quartalen geschrumpft waren.

Mehrere Experten forderten indes einen harten Schnitt: „Samsung sollte den Verkauf der Geräte aussetzen und die Sicherheit seiner Kunden vor den Profit stellen“, sagte Eric Schiffer, Fachmann für Firmenstrategien bei Reputation Management Consultants. Der Konzern solle das Gerät lieber in die „Hall of Shame“ der größten Technologie-Flops einreihen.

Die Aktien von Samsung verloren am Montag 1,5 Prozent an Wert. Trotz des Note-7-Desasters liegen die Papiere aber noch immer nahe ihres Jahreshochs. Das liegt auch daran, dass der Konzern - im Gegensatz zu Apple - nicht so stark vom Smartphone-Geschäft abhängig ist: So mischt Samsung auch bei Fernsehern, Hausgeräten, Halbleitern und Bildschirmen kräftig mit. (APA, Reuters, dpa)

Chronologie eines Desasters:

2. August: Samsung stellt das „Phablet“ mit der Bildschirm-Diagonale von 5,7 Zoll vor. Das Vorzeigemodell soll im oberen Preissegment spielen, in dem Apple mit seinen iPhones stark ist. Der Finanzdienst Bloomberg berichtet später, Samsung habe sich beeilt, es deutlich vor dem September-Marktstart des iPhone 7 auf den Markt zu bringen.

19. August:

Das Galaxy Note 7 kommt in mehreren Ländern in den Handel. Nach und nach gibt es Berichte von Nutzern über brennende oder zumindest überhitzte Telefone. Ein Überblick über das Ausmaß des Problems fehlt zunächst.

2. September:

An dem Tag, an dem das Note 7 unter anderem auch in Deutschland breit in den Handel kommen sollte, gibt Samsung eine weltweite Rückrufaktion bekannt. Zunächst ist von 35 bestätigten Zwischenfällen die Rede.

8. September:

Die US-Flugaufsicht FAA und dann auch ihr europäisches Pendant EASA verbieten, Geräte des Modells in Flugzeugen zu nutzen oder aufzuladen. Sie dürfen auch ausgeschaltet nicht ins aufgegebene Gepäck.

16. September:

In den USA gibt es auch einen offiziellen Rückruf über die Verbraucherschutz-Behörde CPSC. Dabei werden deutlich mehr Fälle bekannt. Allein in dem Land seien demnach 26 Verbrennungen und 55 Fälle von Sachbeschädigung gemeldet worden.

19. September:

Samsung leitet den Austausch der Geräte in Deutschland ein. Zugleich wird der Verkauf von Beteiligungen an anderen Tech-Unternehmen im Wert von rund einer Billion Won (etwa 800 Mio. Euro) bekannt. Die Kosten des Rückrufs für Samsung werden auf mindestens eine Milliarde Dollar (rund 900 Mio. Euro) geschätzt.

22.

September:

Die südkoreanische Behörde für Technologie und Standards (KATS) fordert von Samsung vor der Wiederaufnahme des Verkaufs zusätzliche Sicherheitsprüfungen. Unter anderem solle jede Batterie für das Gerät einem Röntgentest unterzogen werden.

27. September:

Samsung kündigt an, dass das Note 7 in Europa am 28. Oktober wieder regulär in den Handel kommen soll.

5. Oktober:

Ein gerade ausgeschaltetes Note 7 gerät in einem Flugzeug, das vor dem Abflug noch am Gate steht, in Brand. Nach Darstellung des Besitzers ist es bereits ein Austauschgerät.

9. Oktober:

Es werden vier weitere Fälle bekannt, in denen US-Verbraucher von Bränden mit Ersatzgeräten berichten. Zwei davon füllen demnach in der Nacht ein Schlafzimmer mit Rauch. Ein Telefon soll sich in den Händen eines 13-jährigen Mädchens in einer Schule entzündet haben. Die Mobilfunk-Anbieter AT&T, Verizon und T-Mobile US geben an ihre Kunden gar keine Note 7 mehr heraus.

10.

Oktober:

Mehrere Medien berichten, Samsung setzte die Produktion des Geräts erneut aus. Vom Unternehmen heißt es dazu nur, die Produktionsplanung werde „vorläufig angepasst“.