Polizei in Ankara löste pro-kurdische Kundgebung auf

Ankara (APA/AFP) - Die Polizei in Ankara hat am Montag eine Kundgebung zum Jahrestag des blutigen Anschlags auf pro-kurdische Friedensaktivi...

Ankara (APA/AFP) - Die Polizei in Ankara hat am Montag eine Kundgebung zum Jahrestag des blutigen Anschlags auf pro-kurdische Friedensaktivisten gewaltsam aufgelöst. Sicherheitsbeamte versperrten zunächst rund 150 Demonstranten den Zugang zum Tatort, wo sie genau zum Zeitpunkt des Attentats vor einem Jahr um 10.04 Uhr (09.04 Uhr MESZ) der über hundert Toten gedenken wollten.

Gleichzeitig stellten sich Spezialeinheiten hunderten Demonstranten pro-kurdischer Organisationen in den Weg.

Als aus den Gruppen erste Steine und Flaschen flogen, setzten die Beamten Tränengas und Gummigeschosse ein. Nach weniger als einer Stunde hatten sie die Menge auseinandergetrieben. Einige verlagerten daraufhin ihren Protestmarsch in die Einkaufszone der Hauptstadt, um gegen den „mörderischen Staat“ zu protestieren.

Zu den abgewiesenen Kundgebungsteilnehmern gehörten auch die beiden Vorsitzenden der prokurdischen Partei HDP, Selahattin Demirtas und Figen Yüksedag. Auch Abgeordnete der oppositionellen CHP wurden von einer Ladung Tränengas getroffen. Vor Beginn der geplanten Gedenkkundgebung hatten die Behörden einige enge Angehörige der Opfer zu dem Tatort durchgelassen.

Der Anschlag vom 10. Oktober 2015 war der tödlichste in der jüngeren Geschichte der Türkei. Zwei Selbstmordattentäter hatten damals inmitten einer pro-kurdischen Friedensdemo ihre Sprengsätze gezündet und 103 Menschen mit in den Tod gerissen, rund 500 weitere wurden verletzt. Für die Tat wurde die Jihadistenmiliz „Islamischer Staat“ (IS) verantwortlich gemacht.

Viele der nun abgewiesenen Demonstranten äußerten sich verbittert über das nach ihrer Auffassung zwiespältige Verhalten der türkischen Behörden. „Nicht einmal gemeinsam trauern lässt der Staat uns, dabei wollten wir nur Gedichte vorlesen“, sagte Haldun Aciksözlü, der einen guten Freund bei dem Anschlag verloren hatte, der Nachrichtenagentur AFP.

Die Regierung habe nach dem gescheiterten Putsch vom 15. Juli Zehntausende einsperren lassen, denen sie Verbindungen zum islamischen Prediger und angeblichen Drahtzieher Fethullah Gülen vorwerfe, sagte Aciksözlü. Wegen des Anschlags vor einem Jahr habe sich dagegen noch niemand vor Gericht verantworten müssen. Die Demonstrantin Oncur sagte, „bis heute gibt es keine Gerechtigkeit“.

Berichten vom Juni zufolge hatte die Staatsanwaltschaft Ermittlungen gegen insgesamt 36 mutmaßliche Jihadisten aufgenommen, von denen zehn zu dem Zeitpunkt noch in Polizeigewahrsam waren.