Mehr als 30 Politiker der pro-kurdischen HDP in Türkei festgenommen
Ankara (APA/dpa/Reuters) - Mehr als 30 Politiker der prokurdischen Oppositionspartei HDP sind in der Südosttürkei festgenommen worden. Die m...
Ankara (APA/dpa/Reuters) - Mehr als 30 Politiker der prokurdischen Oppositionspartei HDP sind in der Südosttürkei festgenommen worden. Die meisten seien Provinz- oder Bezirksvorsitzende, teilte der Sprecher des kommunalen Ablegers der Partei (DBP), Merdan Berk, am Dienstag mit. Was ihnen genau vorgeworfen wurde, blieb zunächst unklar. Zugleich wurden auch Polizeibeamte verhaftet.
25 Politiker seien in der Provinz Diyarbakir und sieben in der Provinz Bitlis in Gewahrsam genommen worden, hieß es von der DBP. Die Polizei habe zudem eine Razzia in den Häusern von drei Parteivorsitzenden in der Provinz Diyarbakir durchgeführt, die Politiker jedoch nicht angetroffen, teilte Berk weiter mit. Den Festgenommenen werde der Zugang zu Anwälten verwehrt.
Den Verhaftungen war in der Nacht auf Dienstag ein Attentat auf einen Politiker der Regierungspartei AKP vorausgegangen. Die Behörden machten die verbotene Kurdische Arbeiterpartei PKK für die Tat verantwortlich. Deryan Aktert, der Vorsitzende der AKP im Dicle-Distrikt von Diyarbakir, sei in seinem Büro überfallen worden, erklärte das Büro des Provinzgouverneurs.
Zu der Tat bekannte sich zunächst niemand, was nicht unüblich ist. Die PKK wartet oft mehrere Tage, bis sie sich zu einem Anschlag bekennt. Einen Tag zuvor hatten Angreifer den AKP-Politiker Aydin Mustu in der Stadt Van getötet, 350 Kilometer östlich von Diyarbakir.
Der Südosten der Türkei wird hauptsächlich von Kurden bewohnt und grenzt an den Iran, den Irak und Syrien. Im Juli 2015 war ein zweijähriger Waffenstillstand zwischen der PKK und der Armee zusammengebrochen. Die türkische Luftwaffe hatte zuvor PKK-Einrichtungen im Irak bombardiert. Die PKK kündigte daraufhin die Waffenruhe auf und begann wieder mit Anschlägen vor allem auf Einrichtungen von Militär und Polizei. In dem Konflikt wurden in den vergangenen Jahrzehnten Zehntausende Menschen getötet.
Die als terroristische Organisation international geächtete PKK kämpft seit drei Jahrzehnten für eine größere Autonomie der Kurden. Dem gleichen Ziel haben sich die HDP und ihr Ableger DBP verschrieben, allerdings mit friedlichen Mitteln. Funktionären der pro-kurdischen Partei werden jedoch von den türkischen Behörden immer wieder Verbindungen zur PKK vorgeworfen.
Die türkische Justiz setzt inzwischen die Verfolgung von mutmaßlichen Anhängern der Gülen-Bewegung in den Sicherheitskräften fort. Am Dienstag habe die Staatsanwaltschaft die Verhaftung von 125 Polizeibeamten angeordnet, meldete die amtliche Nachrichtenagentur Anadolu.
Die Regierung macht den in den USA lebenden Prediger Fethullah Gülen und seine Anhänger für den gescheiterten Militärputsch am 15. Juli verantwortlich. Gülen bestreitet eine Verwicklung in den Putschversuch, der von loyalen Teilen der Armee niedergeschlagen wurde.
Dem Bericht zufolge gab es mehrere Razzien in Istanbul. Unter den gesuchten Polizisten seien auch 30 leitende Beamte. Bei der Staatsanwaltschaft war zunächst niemand für eine Stellungnahme erreichbar.
Nach einem Bericht der Nachrichtenagentur Dogan haben sich die Polizisten verdächtig gemacht, weil sie die wenig bekannte Messenger-App ByLock auf ihren Smartphones benutzt haben. Nach Erkenntnissen des Geheimdienstes sollen Zehntausende Gülen-Anhänger über die App ein Netzwerk gebildet haben. Im August hatten die Behörden mitgeteilt, dass die App geknackt worden sei und der Geheimdienst so an Informationen über die Mitglieder des Netzes gelangt sei.
Seit dem Putschversuch sind bereits mehr als 100.000 Staatsbedienstete in Militär, Verwaltung, Polizei und Justiz entlassen oder suspendiert worden. Etwa 32.000 Menschen wurden inhaftiert. Es wird erwartet, dass das türkische Parlament am Dienstag den seit Juli verhängten Ausnahmezustand für weitere drei Monate bis Jänner verlängert.