Neue Ostsee-Fangmengen - Wissenschafter sehen tragbaren Kompromiss

Luxemburg/Sassnitz/Kiel (APA/dpa) - Die deutschen Fischer dürfen im kommenden Jahr deutlich weniger Dorsch aus der Ostsee ziehen. Im Westen ...

Luxemburg/Sassnitz/Kiel (APA/dpa) - Die deutschen Fischer dürfen im kommenden Jahr deutlich weniger Dorsch aus der Ostsee ziehen. Im Westen sinkt nach einer Entscheidung der EU-Fischereiminister von Montagabend die Fangmenge um 56 Prozent gegenüber 2016, in der östlichen Ostsee um 25 Prozent. Die Reaktionen auf die Kürzung fielen unterschiedlich aus.

Erstmals werden auch Obergrenzen für Freizeitfischer eingeführt, da sie mittlerweile ähnlich viel Dorsch aus der Ostsee holen wie Berufsfischer. In der Laichsaison im Februar und März dürfen sie höchstens drei Dorsche pro Tag angeln, im Rest des Jahres fünf.

Der Direktor des Thünen-Instituts für Ostseefischerei in Rostock, Christopher Zimmermann, bezeichnete die Quoten als tragbaren Kompromiss. Es sei positiv, dass auch die Freizeitfischerei mit Begrenzungen belegt wurde. So würden die Lasten verteilt und der Fischereidruck insgesamt gesenkt. Mit der Quote auf Berufs- und Freizeitfischerei zusammen käme die EU-Entscheidung in die Nähe der Empfehlung des Wissenschaftlichen Rates für Meeresforschung (ICES), die eine Quotensenkung im Westen um 88 Prozent vorsah.

Der deutsche Ernährungsminister Christian Schmidt (CSU) sprach von einer „schmerzhaften, aber angesichts der Bestandssituation erforderlichen Quotenreduzierung“. Die Dorschbestände in der Ostsee seien ausgelaugt. „Die Bestände werden sich weiter erholen können und unsere Ostseefischer haben eine wirtschaftliche Perspektive.“ Prämien für Fischer, die Kutter aufgeben oder vorübergehend stilllegen, sollten weiter gezahlt werden.

Der Verband der Kutter- und Küstenfischer in Mecklenburg-Vorpommern reagierte mit Enttäuschung. Es sei damit zu rechnen, dass sich die Zahl der Berufsfischer weiter verringere, sagte Verbandschef Günter Grothe. Die Fischer im Nordosten hatten sich zuvor für regelmäßige Ausgleichszahlungen eingesetzt, die sich jährlich an den Fangquoten ausrichten sollten.

Auch der Landesfischereiverband Schleswig-Holstein forderte eine finanzielle Unterstützung für die Betriebe. Die Fischer im Land tragen zu etwa drei Viertel zum deutschen Dorschfang bei. Sie seien bereit, ihren Teil zur Schonung der Bestände zu übernehmen, sagte der Vize-Vorsitzende Benjamin Schmöde. Um dieses Tal der Tränen durchschreiten zu können, bräuchten sie aber Unterstützung.

Kritik kam von der Umweltorganisation Greenpeace. Erneut hätten sich die Fischereiminister bei der Quotenvergabe den Interessen der Fischereiindustrie gebeugt, anstatt den wissenschaftlichen Vorgaben zu folgen, sagte Greenpeace-Experte Thilo Maack. Damit werde weder dem Dorschbestand noch der Ostseefischerei ein Gefallen getan.

Die Kürzung sei trotz der Härten für die Fischer erforderlich, um die Bestände zu schonen, sagte der Kieler Agrarminister Robert Habeck (Grüne). Allerdings seien nun Hilfen aus dem Europäischen Meeres- und Fischereifonds erforderlich. „Wir setzen uns dafür ein, dass Gelder für die dauerhafte und vorübergehende Stilllegung gezahlt werden können.“ Auch Mecklenburg-Vorpommerns Ressortchef Till Backhaus (SPD) betonte, dass die Fischer in der aktuellen Situation nicht allein gelassen werden dürften.

Bei anderen Fischbeständen können sich die Fischer über Zuwächse freuen. Dies gilt für allem für die Scholle. Hier verdoppelt sich die Fangmenge für die gesamte Ostsee nahezu. Die Heringsquote steigt im Westen um 8 Prozent. Beim Lachs ändert sich wenig, die Sprottenquote steigt um 29 Prozent.