Die gelenkte Schmierenpresse - Vargas Llosas Abrechnung mit Fujimori

Berlin (APA/dpa) - Es hätte ja alles auch ganz anders kommen können: 1990 versuchte sich Mario Vargas Llosa als Politiker, zog als Präsident...

Berlin (APA/dpa) - Es hätte ja alles auch ganz anders kommen können: 1990 versuchte sich Mario Vargas Llosa als Politiker, zog als Präsidentschaftskandidat in Peru in den Wahlkampf, verlor die Stichwahl aber überraschend gegen den Außenseiter Alberto Fujimori. Er blieb daraufhin der Schriftstellerei treu, und statt des höchsten Staatsamtes gewann er 20 Jahre später den Literaturnobelpreis.

Klar, dass Vargas Llosa zu einem der schärfsten Kritiker Fujimoris wurde, der als lupenreiner Demokrat begann und als Autokrat endete. In seinem neuen Roman „Die Enthüllung“ führt der Autor den Leser ins Peru der späten 90er Jahre, in die Endphase des Fujimori-Regimes, als der finstere Geheimdienstchef Vladimiro Montesinos einen schmutzigen Krieg gegen die Opposition organisierte. Eine unrühmliche Rolle spielte dabei die „prensa chicha“, die gelenkte Schmierenpresse, die Montesinos einsetzte, um Regimegegner zu diffamieren.

Mit dieser bekommt es auch Enrique „Quique“ Cardenas zu tun, männliche Hauptfigur des Romans. Eines Tages erhält der schwerreiche Bergbauunternehmer in Lima ungebetenen Besuch vom Chefredakteur des Revolverblattes „Enthüllt“. Dieser versucht ihn mit verfänglichen Fotos zu erpressen, die Enrique, nun ja, bei einer Orgie mit Prostituierten zeigen. Und das Unheil nimmt seinen Lauf.

Die Veröffentlichung muss natürlich verhindert werden, und Enriques Ehefrau Marisa darf nichts von allem erfahren. Die hat allerdings den Kopf ganz woanders, hat sie doch eine Romanze mit ihrer besten Freundin Chabela begonnen und ist mit ihr auf ein paar amouröse Tage und Nächte nach Miami gedüst. Am Ende druckt „Enthüllt“ die Fotos doch, der Skandal ist vollkommen - und Enrique gerät unter Mordverdacht, als der Chefredakteur tot aufgefunden wird.

Ein wüstes Gesellschaftsbild, das Vargas Llosa in seinem flott geschriebenen Alterswerk zeichnet. Zwischen dem Armenviertel „Cinco Esquinas“ - das dem spanischen Original den Titel gab - und den Villen der Reichen und Schönen am Golfclub von Lima entspinnt sich das Handlungsgeflecht aus Erpressung, Intrigen, Machtpolitik, den Machenschaften der Boulevardpresse und amourösen Abenteuern.

Im Hintergrund wirkt als Strippenzieher „El Doctor“, hinter dem die reale Person des Montesinos leicht zu erkennen ist. Am Ende aber wird das Fujimori-Regime - etwas abweichend von der realen Geschichte - von einer mutigen Journalistin zu Fall gebracht. Und für Enrique, der den Skandal irgendwie aussitzt, geht „der Traum meines Lebens“ in Erfüllung: Ein flotter Dreier mit Marisa und Chabela. Ein etwas seichtes Happy-End vielleicht, aber die Altherrenfantasien des Nobelpreisträgers kennen da anscheinend kein Halten mehr.

Fujimori stürzte im Jahr 2000, als er unter Verbiegung der Verfassung eine dritte Amtszeit antrat. Der heute 78-Jährige verbüßt in Peru eine 25-jährige Gefängnisstrafe. Montesinos (71) wurde zu 256 Jahren verurteilt. Vargas Llosa, der im März 80 wurde, schreibt weiter Romane. „Der Tod soll mich erwischen, während ich mein bestes Buch schreibe“, sagte er einmal in einem Interview - auch wenn sich die Kritiker einig sind, dass seine frühen Werke die besten waren.

Im vorigen Jahr bekam es der Großmeister in seiner Wahlheimat Madrid selber mit der Boulevardpresse zu tun: Nach 50 Jahren Ehe verließ Mario seine Frau Patricia und zog mit der Society-Königin Isabel Preysler (65), Ex-Frau des Sängers Julio Iglesias, zusammen. Seither hat Vargas Llosa die Paparazzi am Hals. Roman und neue Wirklichkeit hätten aber nichts miteinander zu tun, versichert er.

(S E R V I C E - Mario Vargas Llosa: Die Enthüllung. Aus dem Spanischen von Thomas Brovot, Suhrkamp Verlag, Berlin, 301 Seiten, 24,70 Euro)