Türkei: Nähe zwischen Staatsmacht und Medien
Istanbul (APA) - Der Betroffenen tut so, als sei nichts gewesen: Der türkische Energieminister Berat Albayrak soll Mails vom Chef der Medien...
Istanbul (APA) - Der Betroffenen tut so, als sei nichts gewesen: Der türkische Energieminister Berat Albayrak soll Mails vom Chef der Mediengruppe Dogan, Mehmet Ali Yalcindag, bekommen haben, in denen er sich über regierungskritische Journalisten in seinem eigenen Haus beschwert. Das brisanteste daran: Albayrak ist nicht nur Minister, er ist vor allem der Schwiegersohn von Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan.
Die linke Hackergruppe Redhack hatte die Online-Korrespondenz Ende September ins Internet gestellt. Schon vor Veröffentlichung der geleakten Mails drohten die Aktivisten, die Korrespondenzen zu veröffentlichen, sollten festgenommene „linke Oppositionelle“ nicht aus den Gefängnissen entlassen werden.
In den Mails zwischen dem Medienunternehmer und dem Politiker ist zu lesen, dass Yalcindag Erdogans Präsidialsystem unterstütze. Zugleich kritisiert er eine Schwägerin Muzlat Dogan-Sabance, die die Tageszeitung „Hürriyet“ als Geschäftsführerin leitet. Die verhindere nämlich, dass das Blatt einen regierungsfreundlichen Chefredakteur bekomme. Während der Schwiegersohn Albayrak sich nicht dazu äußerte, ist Yalcindag mittlerweile zurückgetreten.
Schon seit Jahren wird die Dogan-Gruppe von der islamisch-konservativen AKP-Regierung unter Druck gesetzt. Dogan ist der größte Medienkonzern des Landes. Der Gruppe gehören insbesondere die Zeitung „Hürriyet“ und der Fernsehsender CNN-Türk. Zugleich ist das Medienunternehmen ein Mischkonzern. So beteiligt sich die Holding etwa an Auto- und Finanzfirmen.
Laut Medienexperten hätten Dogan-Medien über Jahre hinweg wohlwollend über die AKP und Erdogan berichtet, um lukrative Staatsaufträge zu erhalten. Als dem Unternehmen diese immer öfter verwehrt worden seien, hätte sich auch der Kurs der Berichterstattung geändert.
Nachdem die führende Mediengruppe der Türkei über einen Spendenskandal im Umfeld der AKP recherchierte, stand sie im Visier der Behörden. Erdogan rief, damals noch Ministerpräsident, seine Anhänger dazu auf, keine Dogan-Medien mehr zu konsumieren. Es wurden innerhalb des Konzerns Steuerfahndungen durchgeführt, die belastbares Material fanden.
Der Gründer der Dogan-Gruppe, Aydin Dogan, warf dem AKP-Politiker daraufhin vor, sein Unternehmen „zerstören“ zu wollen, „weil wir ihm nicht gefügig sind“. Die Dogan-Gruppe wurde laut Medienberichten 2009 zu einer Steuernachzahlung von umgerechnet 400 Millionen Euro verurteilt. Das Urteil wurde aber in einem weiteren Verfahren wieder aufgehoben.
In einem Anfang 2014 im Internet anonym veröffentlichten Mitschnitt eines Telefongesprächs Erdogans mit seinem damaligen Justizminister Sadullah Ergin ärgerte sich der Regierungschef über einen Freispruch für Dogan. Erdogan bestätigte die Echtheit des Mitschnitts.
Das Dogan angesichts des mächtigen Gegners einknickte, erstaunte also kaum. In einer von Redhack nun veröffentlichten Mail vom 6. Mai schrieb der Dogan-Manager Yalcindag an den Schwiegersohn des Präsidenten, er sei „offen“ dafür, die politische Haltung des Blatts nach den Wünschen der Regierung zu justieren. „Es wäre sehr nützlich“, schreibt er, „wenn wir die Positionen unserer Mediengruppe evaluieren würden.“