Opferzahl nach Hurrikan in Haiti steigt: Weiterer Sturm vor Bermuda
Erst brachte Hurrikan „Matthew“ Tod und Verwüstung, nun drohen in Haiti Seuchen. Während die Menschen in dem verarmten Karibikstaat mit großer Mühe versorgt werden, zieht ein weiterer Wirbelsturm auf die Bermuda-Inseln zu.
Port-au-Prince – Nach dem verheerenden Hurrikan „Matthew“ werden in Haiti noch Dutzende Menschen vermisst. Mindestens 75 Einwohner werden noch gesucht, wie der Zivilschutz des bitterarmen Karibikstaates am Dienstag (Ortszeit) mitteilte. Die offizielle Zahl der Toten stieg demnach auf mindestens 473, zudem gibt es 339 Verletzte. Rund 175.500 Menschen fanden Schutz in Notunterkünften. Retter beklagten, die Hilfe laufe nur langsam an.
Hurrikan „Nicole“ nähert sich den Bahamas
Die Bewohner der Bermuda-Inseln im Atlantik wappneten sich derweil gegen Hurrikan „Nicole“, der am Mittwoch nach Angaben des Hurrikan-Zentrums in Miami Windstärken von bis zu 155 Kilometern pro Stunde erreichte. Das Auge des Sturms sollte sich in der Nacht zum Donnerstag (Ortszeit) der Inselgruppe östlich der US-Küste nähern. Experten warnten vor Überschwemmungen und Sturzfluten.
In den USA wurde wegen des neuen Wirbelsturms ein Versorgungsflug desprivaten Raumfrachters „Cygnus“zur Internationalen Raumstation ISSverschoben. Der eigentlich für Donnerstag geplante Start werde nun frühestens am Sonntag erfolgen, teilte die US-Raumfahrtbehörde Nasa in der Nacht zum Mittwoch mit. „Cygnus“hätte nach seinem Start im US-Bundesstaat Virginia über die Bermuda-Inseln fliegen sollen, zudem gibt es dort eine Überwachungsstation für den Frachter.
Hilfe kommt erst langsam auf Haiti an
Die Lage inHaiti ist nach Angaben von Helfern weiter sehr kritisch. „Es ist leider alles sehr schleppend angelaufen am Anfang“, kritisierte der Koordinator der Hilfsorganisation Humedica, Oleg Lepschin, im Sender SWRinfo. Mehr als eine Woche nach dem Wirbelsturm der Kategorie 4 komme die Hilfe nun erst an. In dieser Woche würden Lieferungen der Vereinten Nationen in der Hauptstadt Port-au-Prince erwartet.
Allerdings sei es schwierig, die Hilfsgüter zu verteilen.
„Es ist auf jeden Fall eine riesige logistische Herausforderung und auch eine Herausforderung der Koordination“, sagte Lepschin. Das Verteilungsproblem betreffe auch die Cholera-Impfdosen, die die UN bereits nach Haiti geschickt hätten.
Vor einer Woche hatte „Matthew“ Haiti mit Windgeschwindigkeiten von bis zu 230 Kilometern pro Stunde getroffen. Zahlreiche Häuser wurden zerstört, Straßen und Felder überschwemmt. Hilfsorganisationen und Behörden brachten Lebensmittel, Wasser, Hygieneartikel und Medikamente in den besonders stark betroffenen Südwesten des Landes. Anschließend zog der Sturm an der Südostküste der USA entlang. Dort gab es 27 Tote.
Cholera-Impfstoff allein reicht nicht
Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) schickte eine Million Impfdosen gegen Cholera in das Katastrophengebiet. Allerdings müssten noch weitere Schritte gegen die Ausbreitung der Seuche unternommen werden, teilte die WHO mit. „Das Wichtigste ist, die Menschen mit sauberem Trinkwasser zu versorgen und die Abwasserentsorgung zu verbessern“, sagte WHO-Cholera-Experte Dominique Legros.
„Das Wasser ist hochgradig kontaminiert, weil Latrinen zerstört und sogar ganze Friedhöfe überschwemmt wurden. Es besteht die Gefahr, dass Seuchen wie die Cholera ausbrechen“, sagte der Leiter von Caritas International, Oliver Müller. Die Durchfallerkrankung Cholera wird vor allem durch verschmutztes Trinkwasser ausgelöst.
Wahlen bis auf weiteres verschoben
Angesichts der verheerenden Zerstörungen durch den Hurrikan „Matthew“ hat sich die UN-Gesandte Sandra Honore für eine Verlängerung des Blauhelm-Mandats Minustah um sechs Monate ausgesprochen. Honore sprach am Dienstag (Ortszeit) im UN-Sicherheitsrat von einer „humanitären Tragödie“ und einer „akuten Notlage“ für 1,4 Millionen hilfsbedürftige Menschen.
US-Heimatschutzminister Jeh Johnson setzte unter dem Eindruck der Hurrikan-Folgen die Abschiebung von Haitianern in ihr Heimatland aus. Die UN-Gesandte für Haiti wies darauf hin, dass durch die Folgen des Hurrikans indirekt auch die politische Stabilität des Landes gefährdet sei.
Die für den 9. Oktober angesetzten Präsidentschafts- und Parlamentswahlen wurden bis auf weiteres verschoben. Der UN-Sicherheitsrat soll am Donnerstag darüber entscheiden, ob das Mandat der Minustah um weitere sechs Monate verlängert wird. Honore sagte, angesichts der Auswirkungen des Hurrikans auf den politischen Prozess und die Stabilität des Landes sei der Verbleib der 6.000 Blauhelme nötiger denn je. (dpa, APA/AFP)