Wirtschaftsdelegierter: Kroatien muss bei Reformen Tempo machen
Wien (APA) - Die neue kroatische Regierung des designierten Premiers Andrej Plenkovic steht vor massiven Reformaufgaben, vor allem Rechtssic...
Wien (APA) - Die neue kroatische Regierung des designierten Premiers Andrej Plenkovic steht vor massiven Reformaufgaben, vor allem Rechtssicherheit sei noch ein großes Thema, sagt der österreichische Wirtschaftsdelegierte in Zagreb, Roman Rauch. Allerdings werde die neue Regierung auch stabiler sein als die letzte und habe deshalb gute Chancen, die jahrelang versäumten Reformen umzusetzen.
„Mit der neuen Regierung, die jetzt kommt und die auf den ersten Blick einen vernünftigen Eindruck macht, hat das Land jetzt einmal Voraussetzungen, die hoffen lassen, dass die notwendigen Reformen auf den Weg kommen und dass sie das Window of Opportunity, das immer kleiner wird, einfach nützen“, sagte Rauch am Mittwoch in Wien. Die neue Regierung sei viel gemäßigter als die Vorgängerregierungen, habe eine deutlich bessere parlamentarische Mehrheit und werde deshalb stabiler sein, meint Rauch. Die Ministerliste werde es wahrscheinlich nächste Woche geben.
Baustellen gebe es viele, „vor allem Rechtssicherheit ist noch immer ein heikles Thema, das ist die Basis für so viel anderes, was in Kroatien nicht funktioniert“, sagte Rauch, der nach sieben Jahren aus Zagreb nach Wien zurückkehrt, wo er nun in der Außenwirtschaft der Wirtschaftskammer für Innovationsmanagement zuständig sein wird.
Es sei in Kroatien wiederholt vorgekommen, dass Gesetze rückwirkend geändert worden seien. „Ein Investor, der ein Projekt entwickeln will, weiß nicht, wie viel Steuern er letzten Endes zu bezahlen hat.“ Bei Arbeitsgerichtsverfahren in Dalmatien „kriegen Sie manchmal sehr wunderliche Urteile“, es werde oft extrem arbeitnehmerfreundlich geurteilt. Verbessert habe sich mit der EU-Mitgliedschaft Kroatiens, dass auch österreichische Gerichtsurteile nun in Kroatien durchsetzbar seien. „Bei Großprojekten sind internationale Schiedsgerichte gang und gäbe, die werden auch immer wieder genutzt, da wird ja auch Kroatien hingeschleppt“, weil man dem Rechtssystem in Kroatien misstraue. „Wenn Sie ein Geschäft abschließen und dann ein Gericht brauchen, dann können Sie leicht einmal zwei, drei, vier, fünf, sechs Jahre auf ein Urteil warten.“
Auf Investoren abschreckend wirke auch die nach wie vor lahme kroatische Bürokratie. „Es gibt Gemeinden, die das begriffen haben und das vereinfachen, aber Sie haben keine Chance, wenn Sie aus dieser regionalen Ecke herauskommen und dann zum Beispiel einem staatlichen Arbeitsinspektor ins Messer laufen.“ Verzögerungen gebe es durch einen starken Formalismus und eine „stille Korruption“ - man bekomme manchmal nicht einmal Bescheide, gegen die man berufen könnte. „Wenn sie ein Projekt in der Slowakei oder Ungarn in einem Zeitraum X gemacht haben, dann rechnen Sie in Kroatien mindestens die doppelte Zeit ein.“
Positiv sei, dass Kroatiens Wirtschaft heuer um rund zwei Prozent wachsen werde. „Es tut sich wirtschaftlich wieder etwas mehr und es hilft, dass man in die EU nun leichter exportieren kann.“ Dazu komme, dass es im Tourismus auch heuer wieder eine Rekordsaison gegeben habe. Allerdings sei gerade das auch eine große Gefahr: Die Wirtschaft des Landes sei vom Tourismus stark abhängig, er mache rund ein Fünftel der gesamten Wirtschaftsleistung aus. „Das Eis, auf dem die da fahren, ist ziemlich dünn. Es braucht nur einer der einwandigen Öltanker in der Adria ein Leck kriegen und versaut die Küste, dann war‘s das mit der Tourismussaison.“
Neben dem Tourismus ist auch die Landwirtschaft in Kroatien ein traditionell starker Wirtschaftszweig mit vielen Beschäftigten - dennoch könne sich Kroatien in vielen Bereichen nicht selbst versorgen und man setze viel zu wenig auf die Bio-Produktion.
Wie in Österreich sei auch die kroatische Wirtschaft von Klein- und Mittelbetrieben geprägt, „aber der Staat tut viel zu wenig um sie zu unterstützen.“ EU-Mittel würden erst seit Ende 2015 ins Land kommen. Hinderlich sei gewesen, dass der Staat versucht habe, alle Mittel über seine Institutionen laufen zu lassen um seine Macht abzustecken. „Jetzt kommt doch mehr und mehr Geld bei den Firmen an. Inzwischen hat man nach drei Jahren auch begriffen, dass es nicht genügt, die Kontonummer nach Brüssel zu schicken, sondern die Abwicklung von EU-Projekten und die Inanspruchnahme von Förderungen ziemlich schwierig ist.“
Das Lohnniveau in Kroatien sei niedrig, berichtete Rauch. „Die Leute verdienen im Schnitt etwa 700 Euro netto im Monat.“ In der Zagreber Region seien es 1.100 Euro, „aber es gibt auch Näherinnen in der Textil- und Lederindustrie im Norden des Landes, die verdienen 400 Euro im Monat netto“, das sei nur knapp über dem Mindestlohn. Weil aber die Abgaben sehr hoch seien, „kann ich in Ungarn oder in der Slowakei mindestens genauso günstig produzieren wie in Kroatien“.
Sehr niedrig sind auch die Pensionen. „Es beginnt bei circa 300 Euro Mindestpension, und viele Leute haben gar keine Pension - und selbst dieses System wird nicht haltbar sein“, warnt Rauch. Das liege auch an der niedrigen Beschäftigungsquote - „nur knapp mehr als die Hälfte der arbeitsfähigen Bevölkerung in Kroatien arbeitet“.
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