Das CETA-Verfahren vor deutschem Verfassungsgericht
Karlsruhe (APA/Reuters) - Dem deutschen Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe liegen Verfassungsbeschwerden gegen das Freihandelsabkommen de...
Karlsruhe (APA/Reuters) - Dem deutschen Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe liegen Verfassungsbeschwerden gegen das Freihandelsabkommen der EU mit Kanada (CETA) von vier Gruppen vor. Nachfolgend ein Überblick über die wesentlichen Fakten.
Kläger: Ein Zusammenschluss der Organisationen Foodwatch, Campact und des Vereins „Mehr Demokratie“ reichte eine Beschwerde mit mehr als 125.000 Unterstützern ein. Ein weiterer Antrag stammt von einer Bürgerin aus Lüdenscheid, die rund 68.000 Vollmachten weiterer Kritiker sammelte. Die Menge der Kläger hat allerdings keinen Einfluss auf das Verfahren. Neben Bundestagsabgeordneten der Linken will auch ein EU-Parlamentarier der Ökologisch-Demokratischen Partei CETA stoppen.
Kritikpunkte: Die Kläger halten CETA für grundgesetzwidrig, weil es das Demokratieprinzip verletze und das Wahlrecht der Bürger in wichtigen Bereichen leerlaufe. So könne ein Hauptausschuss, der mit der Auslegung und Weiterentwicklung des Abkommens beauftragt wird, ohne Zustimmung der nationalen Parlamente dieses verändern. Die Regulierungsfreiheit des Staates werde dadurch eingeschränkt, wenn es etwa um Erhalt und Weiterentwicklung von Gesundheits-, Umwelt- und Verbraucherschutz gehe.
Der zweite wichtige Stein des Anstoßes ist das Investitionsgericht - ein Schiedsgericht, vor dem Unternehmen Schadensersatz einklagen können, wenn gegen Investitionsschutzregeln in CETA verstoßen wird. Investoren könnten mit Klagedrohungen die Regierung unter Druck setzen, um für sie unliebsame Gesetze zu verhindern. Durch das Investitionsgericht werde außerdem eine Parallel-Justiz aufgebaut und das staatliche Justizmonopol untergraben.
Auch die Bundestagsabgeordneten der Linken rügen eine Beeinträchtigung ihrer Mitwirkungsrechte als Volksvertreter und haben deshalb zusätzlich zu ihrer Verfassungsbeschwerde auch eine Organklage erhoben.
Die Entscheidung: Die Eilanträge zielen darauf ab, der deutschen Regierung die Zustimmung zu CETA zu untersagen. Das Urteil über diese Anträge fällt bereits am Donnerstag. Unabhängig vom Ausgang dieses Verfahrens bleiben die Verfassungsbeschwerden anhängig. Über sie wird der Zweite Senat später im Hauptsacheverfahren entscheiden, das erfahrungsgemäß mehrere Monate dauert.
Die Folgen: Sollte den Eilanträgen stattgegeben werden, würde das gesamte Beschlussverfahren in der EU wahrscheinlich gestoppt. Denn das Abkommen erfordert Einstimmigkeit der EU-Staaten. Nach dem bisherigen Zeitplan sollen die Handelsminister der EU-Staaten es am 18. Oktober unterzeichnen. Rein rechtlich wäre hier eine qualifizierte Mehrheit ausreichend, faktisch aber braucht es Einstimmigkeit. Denn bis zum EU-Kanada-Gipfel mit der kanadischen Regierung und drei Vertretern der EU-Institutionen am 27./28. Oktober soll CETA abgesegnet werden. Deshalb gehen viele davon aus, dass der vorbereitende Beschluss der Handelsminister ebenfalls einstimmig sein sollte. Nach Billigung des EU-Parlaments soll das Abkommen in Teilen vorläufig anwendbar sein. Dies könnte ab 2017 der Fall sein. Erst nach Ratifizierung durch alle nationalen Parlamente, was mehrere Jahre dauert, kann es vollständig in Kraft treten.
Werden die Eilanträge abgewiesen, muss nicht unbedingt eine Ablehnung der Verfassungsbeschwerden folgen. Das Gericht könnte auch Bedingungen formulieren, unter denen das Grundgesetz mit CETA gewahrt wäre. So entschied es in der Vergangenheit bei Beschwerden gegen die Euro-Rettungspolitik.