CETA vor deutschen Verfassungsgericht in Schwarz-Weiß

Karlsruhe (APA/AFP) - Dass im Ringen um politische Vorhaben am deutschen Bundesverfassungsgericht mit Extremen argumentiert wird, sind die R...

Karlsruhe (APA/AFP) - Dass im Ringen um politische Vorhaben am deutschen Bundesverfassungsgericht mit Extremen argumentiert wird, sind die Richter gewohnt. Selten aber war die Schwarz-Weiß-Malerei so ausgeprägt, wie nun am Mittwoch im Streit um einen vorläufigen Stopp des geplanten europäisch-kanadischen Handelsabkommens CETA.

Einig waren sich Kläger und der deutsche Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) als Verteidiger des Abkommens nur in einem Punkt: Sollten sie verlieren, wäre das jeweils eine „Katastrophe“ fürs Volk.

CETA soll die wirtschaftlichen Beziehungen zwischen den EU-Staaten und Kanada erleichtern und dazu Handels- und Investitionshemmnisse abbauen. Die Gegner - Organisationen wie Mehr Demokratie, Foodwatch, Campact, sowie einzelne Kläger und die Linken-Fraktion - befürchten nun, dass beim Abbau von Investitionshemmnissen gute europäische Standards etwa zum Umweltschutz oder Gemeinwohl geschleift werden, damit Konzerne mehr Profit machen könnten.

Ein besonders düsteres Bild zeichnete der europakritische und rechtskonservative Jurist Karl Albrecht Schachtschneider. Er warnte davor, dass CETA zu einer „kapitalistischen Ausbeutung“ und „Verarmung der Schwachen“ führe. Das Abkommen „schleife den Sozialstaat zum Schaden der Kleinen und Vorteil der Großen“. Letztlich seien die Bürger die Leidtragenden.

Demgegenüber warnte Gabriel vehement vor den politischen und wirtschaftlichen Folgen, wenn die vorläufige Anwendung des Abkommens durch Karlsruhe auch nur kurzfristig gestoppt werde. Dann sei nicht nur CETA tot. Europa könne im Welthandel dann künftig auch keine eigenen Regeln für „demokratiekonforme Märkte“ mehr durchsetzen.

Bei der Verteidigung des Abkommens machte Gabriel auf dem Grill der Verfassungshüter ansonsten eine gute Figur. Mit harten Fakten wies er Befürchtungen zurück, der deutsche Bundestag habe bei CETA keine Mitsprache und deshalb sei das Abkommen auch nicht demokratisch verankert. Laut Gabriel debattierte der Bundestag häufig über CETA und erhob auch zuletzt am 22. September keine grundsätzlichen Einwände gegen das Abkommen.

Zudem hätten die deutsche Bundesrepublik und andere Mitgliedstaaten durchgesetzt, dass die EU nicht mehr wie von ihr ursprünglich geplant das alleinige Sagen bei der Ausgestaltung des Abkommen habe. CETA gelte nun als sogenanntes gemischtes Abkommen, bei dem die Mitgliedstaaten vollwertige Vertragspartner seien. Der EU sei es nicht möglich, dies wieder zurückzudrehen, weil die Mitgliedstaaten solch ein Abkommen verhindern würden.

Auch die drohende Gefahr eines Abbaus von europäischen Sozial- und Umweltstandards ließen Gabriel und der Rechtsvertreter der Bundesrepublik, Franz Mayer, nicht gelten: Gemeinwohlziele wie Umweltschutz, Gesundheit oder Arbeitsstandards blieben in der Zuständigkeit der jeweiligen Mitgliedstaaten. Die EU könne hier ihre Kompetenzen auch nicht ausweiten und diese Standards zugunsten der Wirtschaft abbauen.

Gut möglich, dass Karlsruhe nun am Donnerstag eine seiner Ja-Aber-Entscheidungen verkündet und die vorläufige Anwendung des Abkommens mit einigen Auflagen ähnlich wie bei der Euro-Rettung zulässt. Denkbar wäre die Forderung, dass das mächtige CETA-Lenkungsgremium, der sogenannte gemischte Ausschuss, nur Vertragsänderungen etwa mit einem Mandat des EU-Parlaments vornehmen darf. Der Grund: In dem Ausschuss sitzen nur Vertreter der EU und Kanadas. Sie haben bisher die Macht, das Abkommen in vielen Bereichen eigenständig fortzuschreiben und ohne Rückkopplung an Parlamente verbindlich zu interpretieren.