„Falstaff“ im Theater an der Wien: Fettsack bekommt sein Fett weg
Wien (APA) - Dick und Doof machen sich zum Affen, die Windsor-Damen Kate und Camilla geben diesem Zucker und James Bond und Dame Edna haben ...
Wien (APA) - Dick und Doof machen sich zum Affen, die Windsor-Damen Kate und Camilla geben diesem Zucker und James Bond und Dame Edna haben Cameo-Auftritte. Klingt nach Trash? Irgendwie schon. Ist es aber nicht, sondern die charmant-anarchische Interpretation von Antonio Salieris „Falstaff“ im Theater an der Wien. Entsprechend wurde die Premiere am Mittwochabend als runde Gesamtleistung bejubelt.
100 Jahre vor Verdis ungleich berühmterer Fassung des Shakespeare-Stoffes, legte der Wiener Hofkomponist Antonio Salieri 1799 seine Interpretation der „Merry Wives of Windsor“ vor. Die Salierische Windsor-Weiber-Variation, stilistisch nahe an Mozart und Gluck angesiedelt, ist bis heute eines der wenigen Werke des Komponisten, das zumindest hie und da zu hören ist, so etwa 2005 konzertant im Wiener Konzerthaus.
Salieri verarbeitete in „Falstaff“ viele Tanzformen seiner Zeit, parodierte klassische Leidens- oder Furienarien und sorgte mit einer leichten, transparenten Instrumentierung sowie einem schnellen Wechsel zwischen Rezitativen und relativ kurzen Arien für einen beinahe sprechtheatralen Effekt. Diese Partitur spielt die Akademie für Alte Musik Berlin unter dem TAW-Stammgast und Barockexperten Rene Jacobs frisch und zupackend, wobei in diesem Falle ob der relativ kleinen Besetzung tatsächlich die Originalinstrumente etwas zu wenig Strahlkraft entfalten.
Umso mehr gehört der Klangraum dem spielfreudigen Ensemble mit Mozart-Expertin Anett Fritsch und Semperoper-Ensemblemitglied Christoph Pohl an der Spitze. Ein weißer Gesellschaftsraum mit verschiebbarer Rückwand und herablassbarem Deckenspiegel samt Bällebad bildet das Grundgerüst für eine Gesellschaftskomödie im schnellen Boulevardstil, in der nicht nur die Weiber von Windsor, sondern auch deren Anhänge parodiert werden.
Anett Fritsch, die sich als galante Adelige Mrs Ford mit Esprit und einem satt unterfütterten Sopran in Kombination mit großer Beweglichkeit zum Star des Abends spielte, erinnert nicht zufällig an Kate Middleton, während ihre Busenfreundin Mrs Slender von der Bulgarin Alex Penda als Camilla-Kopie angelegt ist. Falstaff und sein Diener Bardolfo kommen zunächst als Laurel und Hardy (vulgo Dick und Doof) daher, bevor sich der anfänglich misshandelte Knecht im Laufe des Spiels zum dunklen Schatten wandelt, der die Protagonisten bei ihren Irrungen spiegelt und leitet. Um dem Ganzen die Krone aufzusetzen, beobachten Queen Elizabeth und Prinz Philip das Treiben.
Das legt Torsten Fritsch als schnelles Bäumchen-Wechsel-Dich-Spiel an, bei dem die Deutsche Fritsch, die im Stück, italienisch singend, eine Britin spielt, sich streckenweise als radebrechende Deutsche verkleidet, während der dicke Falstaff auch mal als Dame Edna auftreten darf. Entsprechend verlässlich kristallisierte sich so Christoph Pohl im Fatsuit und mit treffsicherem Bariton zum Publikumsliebling neben Fritsch heraus.
Dabei rückt der Fischersche „Falstaff“ eigentlich weniger die Titelfigur als sich selbst überschätzenden Tölpel in den Fokus, sondern die emotionalen Überspanntheiten einer dekadenten Gesellschaft. Zwar bleibt Salieris „Falstaff“ im Kern eine „Pension Schöller“ mit Musik - ein leichter, doch mitreißender Bühnenspaß. Dennoch abstrahiert Fischer mit Fortgang des Abends zusehends vom Charakter des Boulevardtheaters, wird abstrakter und lässt mit seiner Personenführung die Abgründe hinter scheinbar harmlosen Liebesschwur-Arien erkennbar werden. Falstaff fällt den Intrigen der Gesellschaft schließlich selbst zum Opfer. Am Ende sind der Lack und der Fatsuit ab. Falstaff bekommt sein Fett weg - und das gesamte Ensemble frenetischen Applaus. Wenn Shakespeare wüsste, was Fischer aus Salieris Stück gemacht hat - er wäre wohl zufrieden.
Mit „Falstaff“ hat das Theater an der Wien den zweiten Teil seines Shakespeare-Herbstes nach Arno Schreiers „Hamlet“ vorgelegt. Als nächster Schritt folgt am 11. und 13. November Giuseppe Verdis „Macbeth“ als Doppelpremiere beider Fassungen.
(S E R V I C E - „Falstaff“ von Antonio Salieri im Theater an der Wien, Linke Wienzeile 6, 1060 Wien. Regie: Torsten Fischer, Musikalische Leitung der Akademie für Alte Musik Berlin: Rene Jacobs. Ausstattung: Herbert Schäfer/Vasilis Triantafilopoulos, Licht: Torsten Fischer/Ralf Sternberg. Mit: Christoph Pohl - John Falstaff, Anett Fritsch - Mrs Ford, Maxim Mironov - Mr Ford, Alex Penda - Mrs Slender, Arttu Kataja - Mr Slender, Mirella Hagen - Betty und Robert Gleadow - Bardolfo sowie dem Arnold Schoenberg Chor. Weitere Aufführungen am 14., 16., 19., 21. und 23. Oktober. Karten unter 0043/1/58885. www.theater-wien.at/de/programm/production/107/Falstaff. Ausstrahlung der Oper auf Ö1 am 22. Oktober ab 19.30 Uhr)