Literaturnobelpreis 2016 geht überraschend an Bob Dylan
Mit dem Literaturnobelpreis für den Rocksänger Bob Dylan hat die Jury eine Sensation geschafft. Während die Akademie den Amerikaner als Dichter und Ikone lobt, halten andere die Zuerkennung für einen Witz.
Stockholm - So richtig hatte niemand daran geglaubt, umso größer war am heutigen Donnerstag die Überraschung, als der Literaturnobelpreis an den US-Songwriter Bob Dylan bekanntgegeben wurde. Der 75-Jährige wird für die Schaffung „neuer poetischer Ausdrucksformen" in der großen Tradition der amerikanischen Musik geehrt, erklärte die Sprecherin der Schwedischen Akademie, Sara Danius, in Stockholm.
Zu den Favoriten des Literaturnobelpreises hatten in diesem Jahr der Syrer Adonis und der Brite Salman Rushdie gezählt. Großer Favorit bei den Wettbüros war der Japaner Haruki Murakami. Im vergangenen Jahr ging der Preis an die Weißrussin Swetlana Alexijewitsch.
Dylan, der bereits mehrfach für die Auszeichnung im Gespräch war, gilt als einer der einflussreichsten Musiker des 20. Jahrhunderts und es ist das erste Mal, dass ein Musiker für seine Songtexte den Literaturnobelpreis erhält. Danius würdigte die Lieder des Musikers als „Poesie für die Ohren". Dylan habe den Status einer „Ikone", hieß es in einer Erklärung der Akademie. „Sein Einfluss auf die zeitgenössische Musik ist tiefgreifend."
Der am 24. Mai 1941 als Robert Allen Zimmerman in Duluth in Minnesota geborene Dylan prägt die Folk- und Rockszene seit rund fünfeinhalb Jahrzehnten. Er brachte sich selbst das Spielen auf Mundharmonika, Gitarre und Klavier bei. Sein Künstlername soll eine Ehrerweisung an den walisischen Dichter Dylan Thomas sein.
Nachdem er das College geschmissen hatte, ging Dylan Anfang der 60er Jahre nach New York. Berühmt wurde er unter anderem für seine Songs „Blowin' In the Wind" und „The Times They Are A-Changin", die ihn zur Ikone der Bürgerrechts- und Friedensbewegung machten. Seine Themen sind die soziale Ungerechtigkeit, Krieg und Rassismus. Allein in den ersten drei Jahren seiner Karriere nahm der auch auf der Bühne stets verschlossen wirkende Musiker 300 Lieder auf.
Seine Alben wie etwa „Highway 61 Revisited" - mit dem Hit „Like A Rolling Stone" - und „Blonde on Blonde" rissen Kritiker zu Begeisterungsstürmen hin, doch 1966 wurde Dylans Schaffensdrang durch einen schweren Motorradunfall jäh unterbrochen. Ab den 70er Jahren veröffentlichte er wieder neue Alben. In die Zeit fällt auch die von ihm komponierte Musik zum Film „Pat Garrett & Billy the Kid", darunter das legendäre „Knockin' on Heaven's Door".
Später wurden die Texte Dylans von seinem wiederentdeckten christlichen Glauben beeinflusst - eine Wendung in seinem Werk, die auch nicht alle Fans mitmachten. 2004 erschien der erste Teil seiner Autobiographie „Chronicles". Zuletzt veröffentlichte die Musiklegende mit „Fallen Angels" ihr 37. Studioalbum - mit Popstücken, die einst Frank Sinatra sang. Nebenbei zeichnete und malte Dylan auch Aquarelle und Gouachen.
Reaktionen: Von "Witz" bis "größter lebender Dichter"
Bei der Entscheidung, Dylan mit dem Literaturnobelpreis auszuzeichnen, hat es "große Einigkeit" gegeben. Das sagte Sara Danius, Chefin der Schwedischen Akademie, bei einer Pressekonferenz nach der Bekanntgabe. Wenig Einigkeit gab es bei den Reaktionen aus der Literaturwelt.
- "Er ist ist wahrscheinlich der größte lebende Dichter." Per Wästberg, schwedischer Schriftsteller und Mitglied der Schwedischen Akademie.
- "Von Orpheus bis Faiz, Songs und Poesie waren immer eng miteinander verbunden. Dylan ist ein brillanter Erbe dieser bardischen Tradition." Indisch-britischer Schriftsteller Salman Rushdie auf Twitter.
- "Dylan hat wie kein anderer die moderne amerikanische Musiktradition mit der literarischen Hochkultur zu einer neuen Kunstform vereint - Ovid mit Blues, Shakespeare mit Gospel. Es wäre deshalb ein großes Missverständnis zu meinen, er werde nur für die Qualität seiner Texte ausgezeichnet. Texte, Musik und Performance sind eine Trias." Dylan-Biograf Heinrich Detering von der Universität Göttingen.
- "Ich bin ein Dylan-Fan, aber das ist ein schlecht durchdachter Nostalgie-Preis, gerissen aus der ranzigen Prostata von senilen, idiotischen Hippies." "Trainspotting"-Autor Irvine Welsh auf Twitter.
- "Wenn Bob Dylan den Literaturnobelpreis bekommen kann, sollte Stephen King in die Rock'n'Roll Hall of Fame aufgenommen werden." US-Krimiautor Jason Pinter auf Twitter.
- "Gelegentlich erlaubt sich die Akademie ein 'Späßken'. Die Auszeichnung von Bob Dylan ist genauso ein Witz wie es die von Dario Fo war. Am besten, man lacht mit." - Literaturkritiker und ARD-Moderator Denis Scheck zur dpa.
Preisträger der vergangenen fünf Jahre
- 2016: Bob Dylan (USA)
- 2015: Swetlana Alexijewitsch (Weißrussland)
- 2014: Patrick Modiano (Frankreich)
- 2013: Alice Munro (Kanada)
- 2012: Mo Yan (China)
- 2011: Thomas Tranströmer (Schweden)
- 2010: Mario Vargas Llosa (Peru)